Lawinenunfall Königspitze 27.09.2020
Eigentlich müsste man sagen, dass die neue Wintersaison mit diesem Lawinenunfall schlecht begonnen hat. In der Lawinenunfallstatistik zählt dieser Unfall aber noch zur Saison 2019/20, wo als Referenzzeitraum das hydrologische Jahr verwendet wird, das am 1. Oktober beginnt und am 30. September des Folgejahres aufhört.
Der Schnee der diese große Lawine verursacht hat bleibt im hochalpinen Gelände sehr wahrscheinlich liegen und bildet die Basis der winterlichen Schneedecke. Das gilt es in den nächsten Monaten zu berücksichtigen, speziell nordseitig könnte diese zukünftige Schneedeckenbasis Lawinenabgänge begünstigen.
Am 25. und 26. September hat zunächst eine Südwestströmung, dann eine Kaltfront im ganzen Land für Niederschlag gesorgt. Anfangs lag die Schneefallgrenze noch oberhalb 2500-2800 m, mit der Kaltfront ist sie dann zum Teil bis auf 1300 m gesunken. Am Ortler, am Schneemessfeld Madritsch (2825 m) sind dabei in Summe ca. 35 mm Niederschlag gefallen, die Schneehöhe erreicht 35 cm.
Der Wind wehte zunächst stark bis stürmisch aus südlichen Richtungen, nach Frontdurchgang hat der Wind auf Nord gedreht und war weiterhin stark. Danach sind die Windsensoren vereist.
In der Höhe waren Windzeichen auf der Schneedecke klar ersichtlich, die Triebschneepakete waren teils von beachtlicher Größe. Bei diesem Unfall handelt es sich ganz klar um eine Schneebrettlawine, besonders interessant ist, dass sich der Bruch über die ganze Ostflanke ausgebreitet hat und die Lawine auf ihrer Sturzbahn immer weitere neue Lawinenanbrüche im Triebschnee verursacht hat. Aus diesem Grund ist die Lawine groß geworden und konnte auch aus großer Entfernung gesehen werden.
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Im Bild der oberste Teil des Anbruches des Lawine. Die Lawine ist direkt unterhalb der felsigen Gipfelpyramide angebrochen. (Foto: Egon Resch, 27.09.2020) |
Auf den Fotos kann man gut erkennen, dass die Lawine nicht auf dem Gletschereis losgebrochen ist, sondern auf einer Schneeschicht. Nur unterhalb des größten Anbruches (geschätzt ca. 150 cm) sieht man Gletschereis, hier hat wahrscheinlich das große Gewicht des abrutschenden Schnees die untersten Schneeschichten auf dem Gletschereis mitgerissen. Man kann deshalb davon ausgehen, dass der Bruch in einer Schwachschicht in der Schneedecke stattgefunden hat, zwischen einer Schicht die gut mit dem Eis verbunden war und dem Schnee des letzten Schneefalls, der stark vom Wind beeinflusst war.
Im Moment des Lawinenabgangs befanden sich die zwei Bergsteiger auf dem obersten bzw. höchsten Teil der Lawine, auf ca. 3700 m. Das heißt, dass der größte Teil und damit auch die größten Schneemassen unter ihnen waren. Das hat dazu geführt, dass sie mit geringerer Geschwindigkeit mitgerissen wurden und sie glücklicherweise in einem weniger steilen Gelände am oberen linken Ausstieg der Ostrinne liegen geblieben sind. Unter ihnen wären noch mehrere hundert Meter Felswände bis zum Suldengletscher gewesen, auf dem sich die Lawine schlussendlich ablagerte.
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Die zwei roten Punkte zeigen die ungefähre Position der Alpinisten im Moment des Lawinenabgangs. Die rote Ellipse zeigt den Auffindungspunkt. (Foto: Egon Resch, 27.09.2020) |