Hochalpin Altschnee, verbreitet Gleitschnee und Oberflächenreif

Seit dem Wintereinbruch von letzter Woche hat sich bereits einiges in und auf der Schneedecke getan.  Prinzipiell gibt es momentan zwei Lawinenprobleme zu berücksichtigen. 

Hochalpines Altschneeproblem

Der Neuschnee von letzter Woche kam hochalpin auf eine schwache Altschneedecke zu liegen. Der von Anfang Oktober gefallene Schnee wurde durch die lange Schönwetterphase aufbauend umgewandelt und stellt nun eine bodennahe Schwachschicht dar, häufig in Kombination mit dünnen Krusten.

Schneedeckenuntersuchung im Nahereich der Grauwand im Schnalstal. Nordwest, 3090 m. (Foto: Lawinenwarndienst Südtirol, 05.11.2021)
Schneedeckenuntersuchung im Nahereich der Grauwand im Schnalstal. Nordwest, 3090 m. (Foto: Lawinenwarndienst Südtirol, 05.11.2021)

Kristalle der bodennahen lockeren Schicht, stark aufbauend umgewandelt. (Foto: Lawinenwarndienst Südtirol, 05.11.2021)
Kristalle der bodennahen lockeren Schicht, stark aufbauend umgewandelt. (Foto: Lawinenwarndienst Südtirol, 05.11.2021)

Schneeprofil am Schnalser Kamm: bodennahe, lockere Schicht überlagert von einer dünnen Schmelzharschkruste. Darüber der lockere, vom Wind unbeeinflusste Schnee.  Nordwest, 3090 m.
Schneeprofil am Schnalser Kamm: bodennahe, lockere Schicht überlagert von einer dünnen Schmelzharschkruste. Darüber der lockere, vom Wind unbeeinflusste Schnee.  Nordwest, 3090 m. 

Die Gefahrenstellen liegen unseres Wissens von 2800 m aufwärts. Zunächst im schattigen Gelände, mit Zunahme der Höhe vermutlich auch in den restlichen Expositionen. Besondere Vorsicht gilt in Bereichen, die von Triebschnee überlagert sind, in schneearmen Bereichen sowie an Übergängen von wenig zu viel Schnee. Auch Fernauslösungen sind möglich. 

Kleines fernausgelöstes Schneebrett mit einer Anbruchhöhe von einem Meter. Die Schneebrettauslösung erfolgte in einem schneeärmeren und windbeeinflussten Bereich. (Foto: Lawinenwarndienst Südtirol, 05.11.2021)
Kleines fernausgelöstes Schneebrett mit einer Anbruchhöhe von einem Meter. Die Schneebrettauslösung erfolgte in einem schneeärmeren und windbeeinflussten Bereich. (Foto: Lawinenwarndienst Südtirol, 05.11.2021)

Heimtückisch ist, dass die Schneeoberfläche oftmals locker ist, während tiefere Schichten durchwegs windbeeinflusst und somit gebunden sind. Wie man an folgenden Messwerten erkennen kann, ließ der Wind am Ende des Niederschlags nach.  

Messwerte der Station Zallinger auf der Seiser Alm. Die Windgeschwindigkeit im zweiten Panel (grüne und pinke Linie) nahm gegen Ende der Niederschläge am 04.11.2021 ab, wodurch der letzte Schnee windunbeeinflusst fiel.
Messwerte der Station Zallinger auf der Seiser Alm. Die Windgeschwindigkeit im zweiten Panel (grüne und pinke Linie) nahm gegen Ende der Niederschläge am 04.11.2021 ab, wodurch der letzte Schnee windunbeeinflusst fiel.

Zudem kann man mit dem Stationsgraph ein weiteres Phänomen erklären, welches man derzeit verbreitet beobachten kann: Oberflächenreif, der sich bei windschwachen Wetterlagen mit tiefen Temperaturen und hoher Luftfeuchtigkeit (>70 %) an der Schneeoberfläche bildet. Dazu werfen wir einen Blick auf das vierte Panel mit den Temperaturen am 05.11.2021. Liegt der Taupunkt (blaue Linie) über der Oberflächentemperatur (graue Linie), kristallisiert der in der Luft vorhandene Wasserdampf an der Oberfläche und bildet die formschönen Oberflächenreifkristalle aus. Allein gesehen stellt Oberflächenreif kein Gefahrenpotential dar. Erst wenn er von gebundenen Schneeschichten überdeckt wird, wird es gefährlich. Eingeschneiter Oberflächenreif gilt als eine der kritischsten Schwachschichten der Schnee- und Lawinenkunde. Sollte der Oberflächenreif bis zum nächsten Schneefall bestehen bleiben, wird sich die Lawinensituation drastisch verschärfen. 

Oberflächenreif unterhalb der Einachtspitze, Ridnaun. (Foto: Dominik Trenkwalder, 08.11.2021)
Oberflächenreif unterhalb der Einachtspitze, Ridnaun. (Foto: Dominik Trenkwalder, 08.11.2021)

Oberflächenreif unterhalb des Gleitnerhochjochs, Passeier. Von der Waldgrenze bis zum Gipfelbereich stetig zunehmend. (Foto: Lawinenwarndienst Südtirol, 06.11.2021)
Oberflächenreif unterhalb des Gleitnerhochjochs, Passeier. Von der Waldgrenze bis zum Gipfelbereich stetig zunehmend. (Foto: Lawinenwarndienst Südtirol, 06.11.2021)
Unterhalb von 2300 m Gleitschnee 

Weiters kann man derzeit viele – für den Frühwinter typisch – Gleitschneelawinen beobachten. Vor allem an steilen Wiesenhängen unterhalb von 2300 m. Die im Boden gespeicherte Wärme wird nach dem Schneefall an die Schneedecke abgegeben und schmilzt dadurch die untersten Zentimeter auf. Der Wasserfilm wirkt dann als Gleitschicht, auf der die Schneedecke abgleiten kann. Die Aktivität der Gleitschneelawinen wird vermutlich, in den kommenden Tagen abnehmen.
Gleitschneelawinen in Pfunders, im Gebiet Schmansen. (Foto: Raimund Seebacher, 08.11.2021)
Gleitschneelawinen in Pfunders, im Gebiet Schmansen. (Foto: Raimund Seebacher, 08.11.2021)

Gleitschneelawinen oberhalb der Lenkalm, Prettau (Foto: Otto Voppichler, 08.11.2021)
Gleitschneelawinen oberhalb der Lenkalm, Prettau (Foto: Otto Voppichler, 08.11.2021)
Gleitschneelawine bei den Telfer Almen. (Foto: Peter Payrer, 06.11.2021)
Gleitschneelawine bei den Telfer Almen. (Foto: Peter Payrer, 06.11.2021)

Kurze Vorschau

Wettertechnisch verläuft diese Woche ruhig mit sonnigem, spätherbstlichem Wetter bei ansteigenden Temperaturen und einigen durchziehenden Wolken. Niederschläge sind demnächst keine zu erwarten. Die Lawinensituation ändert sich deshalb nicht wesentlich. Weiterhin gilt es vor allem im Hochgebirge in den oben genannten Bereichen zurückhaltend unterwegs zu sein. Das Altschneeproblem gilt nicht umsonst als Expertenproblem und sollte nicht unterschätz werden. Und guten Schnee bei oft günstigen Verhältnissen findet man momentan auch in tieferen Lagen.
ECMWF-Vorhersage der Bewölkung, Niederschlag, Wind und Temperatur für den Gitterpunkt Meran für die kommenden 10 Tage. 

Erste Schwünge der Saison. (Foto: Lawinenwarndienst Südtirol, 05.11.2021)
Erste Schwünge der Saison. (Foto: Lawinenwarndienst Südtirol, 05.11.2021)