Schwacher Altschnee, teils kritische Lawinensituation!

Nach einer längeren Phase mit nur wenig Neuschnee und recht günstigen Lawinenverhältnissen führten die jüngsten Schneefällen zu erheblicher Lawinengefahr!

Rückblick und aktuelle Situation

Das Jahr 2024 endete mit einer Hochdruckphase, die die aufbauende Umwandlung in der Schneedecke stark begünstigte. Die klaren Nächte erlaubten eine gute Abstrahlung der Schneedecke, zugleich führte die gering mächtige Schneedecke zu einem großen Temperaturgradienten innerhalb der Schneedecke: Ideale Bedingungen für die Bildung von Schwimmschnee.

Besonders in Schattenhängen hatte sich die Schneedecke teilweise komplett umgewandelt und bestand infolge von unten bis oben aus bindungsarmen Becherkristallen. Aufgrund des fehlenden Schneebretts an der Schneeoberfläche hielt sich die Lawinengefahr in Grenzen: Entlang des Alpenhauptkamms war die Lawinengefahr aufgrund des Vorkommens von vereinzelten Schwachschichten mäßig, im restlichen Land sogar gering. Zudem machte die gering mächtige Schneedecke das Skitourengehen quasi unmöglich.

Seit Montagabend hat ein Südstauereignis Neuschnee ins Land gebracht. Begleitet war das Ereignis von starkem bis stürmischem Südost-Wind. Der meiste Schnee fiel in den typischen Südstaulagen: Hier fielen bis zu 40 cm Neuschnee, in den restlichen Landesteilen 10 bis 20 cm.

Differenz der Schneehöhe von Montag, 06.01. um 01:00 Uhr bis Mittwoch, 07.01. um 01:00 Uhr.
In Kasern, im hinteren Ahrntal, fielen örtlich bis zu 40 cm Neuschnee. (Foto: Thomas Hofer, 07.01.2025)

Mit Neuschnee und teils stürmischem Wind wurde erhebliche Lawinengefahr der Stufe 3 prognostiziert: Das Hauptlawinenproblem war das Triebschneeproblem. Lawinen konnten sich allerdings auch im schwachen Altschnee lösen.

Der Altschnee, der aus Becherkristallen besteht, bildet eine perfekte Schwachschicht für die Auslösung von Schneebrettlawinen. Man ging davon aus, dass der teils stürmische Winde den Neuschnee intensiv von den südlichen Hängen in die windabgewandten Nordhänge verfrachten würde und sich hier an der Schneeoberfläche ein Schneebrett bilden würde. Man nahm an, dass die Triebschneepakete von Wintersportler:innen gut erkannt werden könnten: Daher hatte man das Triebschneeproblem ausgewählt.

Am Mittwoch, 7. Jänner, bekamen wir zahlreiche Rückmeldungen vom Alpenhauptkamm: Es wurden zahlreiche Setzungsgeräusche (Whumm) beobachtet, Risse in der Schneedecke und einige Fernauslösungen von Lawinen – typische Alarmzeichen für eine kritische Gefahrensituation. Kämme und Sonnenhänge wurden vom Wind „kahl“ gefegt (der Triebschnee lagerte sich in Schattenhängen ab), dort liegt nur wenig Schnee.

Risse in der Schneedecke in der Gegend von Ratschings. (Foto: Peter Payrer, 08.01.2025)
Risse in der Schneedecke an der Anbruchkante einer fernausgelösten Lawinen in der Nähe der Kleinen Kreuzspitze im Ratschingstal. (Foto: Lawinenwarndienst, 08.01.2025)
Fernausgelöste Lawine am Rieglerjoch in den Pfunderer Bergen. Es ist deutlich zu erkennen, wie der Schnee am Luvhang vom Wind verfrachtet und im Lee abgelagert wurde, wodurch das fernausgelöste Schneebreett entstanden war. (Foto: Philipp Mayr, 08.01.2025)
Frische spontane Lawine in der Nähe des Zinsnock in Weißenbach (Ahrntal). Hier ist auch der vom Wind abgeblasene Grat zu sehen. (Foto: Toni Obojes, 07.01.2025)

Am selben Tag war der Lawinenwarndienst im Gelände im hinteren Ratschings unterwegs, um die Lawinensituation zu bewerten. Es wurden auch hier die oben beschriebenen Alarmzeichen beobachtet. Die Schneedecke ist folgendermaßen aufgebaut: Der untere Teil der Schneedecke besteht aus großen Becherkristallen (Schwimmschnee), darüber lagert der gebundene Neuschnee (Schneebrett). Das Schneebrett ist in der Lage, einen Bruch in der Schwachschicht fortzupflanzen.

Gebundener Schnee war aber nicht nur in den windbeeinflussten Hängen vorhanden, sondern er war auch in den windberuhigten Gebieten anzutreffen: Der frisch gefallenen Neuschnee war aufgrund der tiefen Wolken, der diffusen Strahlung und der hohen Luftfeuchtigkeit schon gebunden. Die Gefahrenstellen für das Auslösen von Lawinen waren infolge nur schwer bzw. gar nicht zu erkennen. Es handelte sich also um ein verbreitetes Altschneeproblem. Die Gefahrenstellen sind vor allem dort, wo die Oberfläche bereits vor dem jüngsten Schneefall vom Schnee bedeckt war und in den Hauptniederschlagsgebieten anzutreffen.

Schneeprofil, das der Lawinenwarndienst im Anbruchbereich einer Lawine erstellt hat, die aus einer Entfernung von ca. 30-40 m ausgelöst worden war. Der für Schneebrettlawinen günstige Aufbau der Schneedecke aus einer sehr schwachen Basis aus Becherkristallen und einem Schneebrett an der Oberfläche, ist deutlich erkennbar. Es war nicht möglich, während des ECT-Stabilitätstests einen Bruch in der Schwachschicht zu initiieren, da diese Schicht vermutlich beim Lawinenabgang bereits gestört worden war. (Quelle: www.lawis.at)
Schneeprofil der Forststation Prad am Stilfserjoch, in der Nähe der Madritschspitze. Hier ist eine ähnliche Schneedeckenstruktur wie oben zu erkennen. Bei diesem ECT-Stabilitätstest war es allerdings möglich, das Schneebrett beim zweiten Schlag aus dem Handgelenk auszulösen. Der Bruch breitete sich über den gesamten Block aus: Ein Zeichen für Instabilität. (Quelle: www.lawis.at)

Aktuelle Schneefälle und Voerhersagen

In der vergangenen Nacht und am Morgen kam es erneut zu Schneefällen, in der Höhe fielen lokal bis zu 15 cm Neuschnee. Morgen, Freitag, 10. Januar, bringen weitere leichte Schneefälle erneut bis zu 10 cm Neuschnee in der Höhe. Der starke bis stürmische Wind aus westlichen Richtungen wird den Neuschnee erneut verfrachten, und die Triebschneepakete bleiben weiterhin instabil. Schwachschichten in der Altschneedecke müssen sehr sorgfältig beurteilt werden.

Laut den aktuellen Prognosen der Wettermodelle ist in den kommenden Tagen kein Schneefall zu erwarten.

Niederschlagssumme in mm über 24 Stunden, von 13:30 Uhr am Mittwoch, 08. Januar, bis 13:30 Uhr am Donnerstag, 09. Januar.
Vorhersage der Neuschneemenge für Freitag, den 10. Januar.
Vorhersage der akkumulierten Neuschneemenge für das Hintere Ahrntal, erstellt vom Modell SNOWGRID. Laut aktueller Daten wird für die nächsten Tage kein Schneefall prognostiziert. (Quelle: Geosphere Austria).