Die Triebschneepakete sind teilweise störungsanfällig – Analysen der letzten Lawinenunfälle

Aktuelle Situation

In den vergangenen Tagen, genauer gesagt von Mittwoch 17.01 bis zum Nachmittag des 19.01 sind in Südtirol bis zu 20 cm Neuschnee gefallen, am meisten in den östlichen Landesteilen. Der Wind hat dabei anfangs aus südwestlichen Richtungen geweht, allmählich hat der Wind aber auf Nordost gedreht und starker Nordföhn hat eingesetzt.

48 h Niederschlagssummen von Mittwoch 17.01 bis Freitag 19.01 in mm.

Von heute Nachmittag, Montag 22.01 bis morgen Nachmittag, 23.01 können entlang des Alpenhauptkammes bis zu 10 cm Neuschnee fallen, lokal auch etwas mehr. Der Wind weht dabei zunächst mäßig bis stark aus Südwest, wird aber teils stürmisch und dreht auf Nordwest. Wieder wird es in einigen Tälern föhnig.

48 h Neuschneevorhersage für Montag 22.01 und Dienstag 23.01.

Der Neuschnee wurde und wird vom starken Wind verfrachtet und bildet störungsanfällige Triebschneeansammlungen. Der lebhafte Föhn von vergangenem Freitag hat auch in der Nähe der Waldgrenze Triebschneepakete gebildet. Weiterhin kann ein einzelner Wintersportler Lawinen auslösen. Am Wochenende waren die Temperaturen sehr tief, dies verhinderte eine schnelle Stabilisierung der Schneedecke.

Analyse des Lawinenunfalls „Schwarzhorn“ – Aldein, 13.01.2024

Eine Gruppe von vier Skitourengehern fuhr über die Nordflanke vom Schwarzhorn ab, als sich eine Schneebrettlawine löste. Eine Person wurde von den Schneemassen mitgerissen aber glücklicherweise nicht total verschüttet, so konnte sie rasch von ihren Kollegen befreit werden.

Foto der Unfalllawine. (Foto: Bergrettung Val di Fiemme, 13.01.2024)

Bei dieser Lawine handelte es sich um eine trockene Schneebrettlawine mittlerer Größe (Größe 2). Der Anbruch war ca. 20-25 cm auf einer Meereshöhe von ca. 2250 m, Geländeneigung zw. 35° und 40°, Exposition Nord (Informationen von der Bergrettung Val di Fiemme).

Der Lawinenwarndienst hat im Zuge eines Ausbildungstages mit dem Südtiroler Bergführerverbband vier Tage nach dem Unfall einen Lokalaugenschein durchgeführt. Aufgrund widriger Wetterbedingungen war es nicht möglich zum Anbruch aufzusteigen. In der Nähe der Lawinenablagerung wurde folgende Schneedeckenuntersuchung durchgeführt:

Wahrscheinlich ist die Lawine oberflächennah gebrochen: d.h. frischer Triebschnee hat sich auf der kantig aufgebauten Schneeoberfläche abgelagert, der dann als Lawine abgehen konnte. Tiefer in der Schneedecke findet man mehrere Krusten und dazwischen Schwachschichten, die aber nicht zu stören waren.
Windgeschwindigkeiten und Windrichtung gemessen am automatischen Schneemessfeld Obereggen Absam, auf 2123 m. Man sieht wie besonders am Tag vor dem Lawinenunfall die Windspitzen mäßig bis stark waren und somit der lockere Schnee an der Oberfläche verfrachtet werden konnte.

Analyse des Lawinenunfalls „Col de Riciogogn“ – Enneberg, 14.01.2024

Eine Gruppe von vier Skitourengehern befand sich im Aufstieg auf den Col de Riciogogn als sich in einem Nordhang eine Schneebrettlawine löst. Drei Gruppenmitglieder wurden mitgerissen: zwei wurden nur für wenige Meter mitgerissen und blieben unverletzt an der Oberfläche, eine Person wurde dagegen ca. 200 m mitgerissen und teilweise verschüttet, mit dem Kopf jedoch unter dem Schnee. Seine Kameraden eilten ihm zu Hilfe und konnten ihn aus den Schneemassen befreien, in der Folge wurde der Verletzte mit der Bergrettung abtransportiert.

Es handelt sich um eine kleine Lawine, Größe 1. (Foto: Bergrettungsdienst Hochpustertal, 14.01.2024)

Bei dieser Lawine handelte es sich um eine kleine Schneebrettlawine (Größe 1), die Anbruchhöhe betrug ca. 20 cm. Die Lawine ist auf ca. 2300 m im 30° bis 35° steilen nordexponierten Gelände angebrochen (Informationen vom Bergrettungsdienst Hochpustertal).

Registrierte Winddaten an der Station Rossalm in Prags auf 2340 m. Am Tag vor dem Unfall und am Unfalltag gab es mäßigen Nordwestwind. Der Wind war über Verfrachtungsstärke und konnte den frischen Triebschnee bilden aus dem das Schneebrett bestand.

Analyse des Lawinenunfalls „Zendleser Kofel“ – Villnöß, 20.01.2024

Zwei Skitourengeher befanden sich in der Abfahrt an einem südexponierten Hang am Zendleser Kofel als sich ein Schneebrett löste und eine Person mitriss. Sie konnte sich selbst befreien und blieb unverletzt.

Unfalllawine am Zendleser Kofel. Es handelt sich um eine mittlere Lawine (Größe 2). (Foto: Matthias Hofer, 20.01.2024)

Auch hier handelte es sich um eine trockene Schneebrettlawine. Die Anbruchhöhe der Lawine betrug ca. 15 cm, der Anbruch passierte auf ca. 2400 m in einem ca. 40° steilen Südhang (Informationen vom Bergrettungsdienst Villnöß. Am Tag nach dem Unfall hat ein Bergführer einen Lokalaugenschein mit einem Stabilitätstest (ECT) durchgeführt:

In 15 cm Tiefe konnte unter dem frischen Triebschnee ein Bruch mit Fortpflanzung beobachtet werden, ECTP12@15 (Beim zweiten Schlag aus dem Ellenbogen konnte ein Bruch mit Bruchfortpflanzung initiiert werden). (Foto: Roland Wimmer, 21.01.2024)
Registrierte Winddaten an der nahegelegenen Station Kreuzkofeljoch auf 2297 m. Der Wind aus nördlichen Richtungen konnte auch hier frischen Triebschnee bilden. Hier bestand der Triebschnee aber aus dem frisch gefallenen Schnee der Tage zuvor.