Es liegt meist wenig Schnee – Tödlicher Lawinenunfall am Staller Sattel, 24.12.2024

Die aktuelle Schneelage in Südtirol ist bescheiden und stark vom Wind beeinflusst. Die Lawinengefahr geht vor allem vom Triebschnee in Schattenhängen aus, am Alpenhauptkamm und am Ortler muss man auch von einem Altschneeproblem ausgehen!

In der vergangenen Woche hat sich wettertechnisch einiges getan, in einem Wort: es war turbulent. Am Donnerstagnachmittag fing es an zu schneien, zuerst mit einer südwestlichen Anströmung, in der Nacht auf Freitag den 20. Dezember folgte eine markante Kaltfront aus Nordwest, die Temperatur ging deutlich zurück und Nordwind frischte auf. Im Raum Bruneck gab es mit dem Frontdurchgang sogar Blitz und Donner. Es fielen verbreitet 10 bis 20 cm Schnee, teilweise auch mehr. Mit dem Wind wurde dieser Schnee aber umfangreich verfrachtet.

Messwerte der Station Pratznerberg im Langtauferertal am Reschenpass. In der obersten Zeile sieht man die Schneehöhe, die nach dem 19.12 ansteigt. Da es kalt war (Temperaturverlauf ist in der dritten Zeile ersichtlich) blieb der Neuschnee pulvrig und konnte durch den teils stürmischen Wind (zweite Zeile) verfrachtet werden. An der Station liegt aktuell fast gleich viel Schnee wie vor den Schneefällen.

Damit stieg die Lawinengefahr an und erreichte im hinteren Ahrntal schon Gefahrenstufe 3 – erheblich. Wir bekamen mehrere Rückmeldungen über Risse und Whumm Geräusche in der Schneedecke. Außerdem wurden uns spontane Schneebrettlawinen vom Zillertaler Alpenhauptkamm gemeldet.

Risse in der Schneedecke sind eindeutige Gefahrenzeichen für Lawinen. Das gebundene Schneebrett liegt hier also auf einer schwachen Basis, ein Bruch in dieser Basis konnte initiiert werden aber aufgrund der geringen Geländeneigung (unter 30°) bzw. auch aufgrund der noch vorhandenen Bodenrauhigkeit konnte die Lawine hier nicht abgehen. Aufgenommen in der Nähe der Drei Zinnen Hütte im oberen Pustertal. (Foto: Daniel Rogger, 20.12.2024)
Der Zillertaler Alpenhauptkamm vom Klausberg aus gesehen. Von links nach rechts erkennt man Schneebrettlawinen unterhalb des Schwarzensteins auf dem ostexponierten Rotbachkees, unterhalb der Westlichen Floitenspitze (südostexponiert) sowie auf dem südexponierten Trippachkees unterhalb des Gr. Löfflers. Die Lawinen unterhalb des Schwarzensteins und des Löfflers gingen wahrscheinlich um den 20.12.2024 ab, die frischeste ist die unter der Floitenspitze vom 23. oder 24.12.2024. (Foto: https://klausberg.it-wms.com/ , 27.12.2024)
Tiefwinterlich war es nach den Schneefällen vom 19. und 20. Dezember an der Waldgrenze im windgeschützten Bereich oberhalb von Pfalzen im Pustertal mit ca. 25 cm Neuschnee. (Foto: Lawinenwarndienst Südtirol, 23.12.2024)

Auch danach blieb uns die meist nordwestliche, straffe Anströmung erhalten, damit lag Südtirol südlich des Alpenhauptkammes wetterbegünstigt. Schnee gab es vor allem am Hauptkamm und nördlich davon, südlich davon trocknete der stürmische Nordföhn die Luftmassen auf. Insgesamt fiel aber weniger Schnee als ursprünglich erwartet.

Die ungünstige Altschneedecke in Kombination mit Neuschnee und starkem Wind ließ die Lawinengefahr weiter ansteigen und erreichte am Alpenhauptkamm oberhalb der Waldgrenze vorübergehend Stufe 3 – erheblich. Die Gefahr ging dabei hauptsächlich vom frischen Triebschnee aus. Richtung Süden war die Lawinengefahr aufgrund der geringeren Neuschneemengen mäßig (Stufe 2), mögliche Lawinen waren nur klein.

Am 24.12.2024 kam es am Staller Sattel im Antholzertal zu einem tödlichen Lawinenunfall, den wir am Ende dieses Blogs kurz analysieren.

Zu Weihnachten, am 25.12.2024 stiegen die Temperaturen wieder an und das Wetter beruhigte sich, wenn auch der Wind bis gestern noch ein Thema war und teils stark aus östlichen Richtungen wehte. Damit gilt es nach wie vor Triebschnee kritisch zu beurteilen. Dieser wird sich besonders im sonnenexponierten Gelände aber allmählich stabilisieren.

Blick von der Gitschhütte Richtung Nordwesten, links im Bild der Klein-Gitsch. Es liegt kaum Schnee, Schneeschuhwanderungen sind möglich, Skitouren nicht. (Foto: Lawinenwarndienst Südtirol, 25.12.2024)
Auch im Rojental hat der Wind seine Spuren hinterlassen und Geländerücken abgeblasen. „Skifahren geht nur von einem Triebschneepaket zum nächsten“, so der Beobachter. Dort wo Schnee liegt ist die Situation aber nicht zu unterschätzen… (Foto: Berhard Mock, 26.12.2024)
…denn es wurde uns diese Lawine am Inneren Nockenkopf aus ostexponiertem Gelände gemeldet. Laut unseren Informationen ging die Lawine spontan ab, als Grund muss man die sehr milden Temperaturen des gestrigen Tages ansehen. Die Lawine ist bis zum Boden durchgebrochen, dies unterstreicht den schlechten Schneedeckenaufbau. (Foto: Tobias Folie, 26.12.2024)
Aus dem hinteren Schnalstal wurde uns diese Lawine gemeldet, ein wenig unterhalb des Teufelsjoch, auf ca. 3100 m, südseitig. Wahrscheinlich wurde die Lawine im Aufstieg fernausgelöst, Rückmeldungen von Whumm-Geräuschen lassen darauf vermuten. Fernauslösungen sind nur möglich, wenn Schwachschichten flächig vorhanden sind. Wahrscheinlich hängt dies in dieser Höhe mit Schwachschichten an eingeschneiten Schmelzharschkrusten zusammen, an denen sich kantig aufgebaute Schwachschichten bilden konnten. Auch hier ist die Lawine bis zum Boden durchgebrochen. (Foto: Kathrin Zischg, 26.12.2024)

Typisch für die aktuelle Situation sind die teilweise sehr harten Triebschneepakete, die den Eindruck sicherer Verhältnisse erwecken. Der Triebschnee kann mitunter aber auf persistenten (langlebigen) Schwachschichten lagern und vor allem im Randbereich ausgelöst werden. Lawinen sind aktuell meist nur klein, ein Absturz oder eine Verschüttung mit Geländefalle kann aber dramatische Konsequenzen haben, so wie bei einem tödlichen Lawinenunfall in Salzburg.

Kurzer Ausblick: Neuschnee ist bis Anfang Jänner keiner in Sicht, ein Hochdruckgebiet bleibt wetterbestimmend. Danach kommt wieder Schwung ins Wetter und Neuschnee ist möglich.

Lawinenunfall unterhalb des Heldenkreuzes am Staller Sattel – 24.12.2024

Am 24. Dezember 2024 ereignete sich am Staller Sattel ein Lawinenunfall. Zwei Wanderer, ein Mann und eine Frau, waren von der letzten Kehre vor dem Staller Sattel gestartet, um über den Sommerweg zur Obernseehütte zu gelangen. Als der Mann kurz unterhalb des Heldenkreuzes vorausging, um eine Rinne zu queren und gerade umdrehen wollte, löste sich ein kleines Schneebrett, das den Mann mit sich riss und komplett verschüttete. Die Frau setzte sofort den Notruf ab. Bei Eintreffen der Bergrettung konnte der Mann mittels Sondierkette bald geortet werden: Er war in etwa einen halben Meter tief von den Schneemassen begraben. Leider konnte das Leben des Mannes nicht gerettet werden.

Der Unfall ereignete sich nur wenige Meter unterhalb des Heldenkreuzes am Staller Sattel. Es handelte sich um eine kleine Schneebrettlawine (Größe 1), die sich im frischen Triebschnee gelöst hatte. (Foto: Bergrettung Antholz, 24.12.2024)
Die Lawine (gelb markiert) löste sich kurz unterhalb des Heldenkreuzes am Staller Sattel. Die Wanderer waren in der letzten Kehre vor dem Staller Sattel (Südtiroler Seite) gestartet und auf dem Weg zur Obernseehütte (direkt am Obernsee).

In den Tagen zuvor hatte es im ganzen Land immer wieder geschneit. Begleitet war das Niederschlagsereignis von stürmischem Wind, der den Schnee massiv verfrachtete. Der Schnee wurde von Kämmen und Rücken gefegt und wurde in windberuhigten Mulden und Rinnen und hinter Geländekanten abgelagert. So war auch die Rinne am Unfallort mit windgepresstem Triebschnee gefüllt. Es handelte sich bei diesem Unfall also um ein Triebschneeproblem. Das Gelände auf etwa 2000 m, in dem sich die Lawine gelöst hatte war über 35° steil. Die Lawine war in etwa 40 m lang und 10 bis 15 m breit und entsprach Lawinengröße 1 – klein.

Anbruch der Unfalllawine: Die Höhe der Anbruchkante reichte von wenigen Zentimetern bis zu etwa 60 cm. Die Schneebrettlawine war am Übergang von wenig zu viel Schnee angebrochen. (Foto: Bergrettung Antholz, 24.12.2024)

Resümee

Allgemein kann die Schneelage zurzeit als spärlich betrachtet werden. Wintersport im Gelände ist kaum bzw. nur gebietsweise möglich. Gerade in solchen Zeiten ist die Lawinengefahr zwar vielleicht nicht allzu groß, dennoch zu beachten.

Zum einen erweckt der wenige Schnee und die teilweise sehr harten Triebschneepakete einen trügerischen Eindruck von Sicherheit. Zum anderen ist gerade dort, wo man sich mit Wintersportgeräten überhaupt im Schnee bewegen kann auch am gefährlichsten: Die Triebschneepakete sind zwar klein, aber mitunter störanfällig. Schwachschichten findet man sowohl zwischen den verschiedenen Triebschneepaketen (nur kurzfristig ein Problem), als auch tiefer in der Schneedecke in Form von persistenten (langlebig) Schwachschichten. Sie können besonders in ihren Randbereichen und am Übergang von wenig zu viel Schnee ausgelöst werden.

Aufgrund der spärlichen Schneelage kommt dann, im Falle eines Lawinenunfalls, zur Erstickungsgefahr bei einer Totalverschüttung auch noch die Gefahr hinzu, von herausragenden Felsen lebensgefährliche Traumata zu erleiden.

Auch lädt der wenige Schnee noch zum Wandern ein: Als Wanderer übt man aber aufgrund der geringeren Auflagefläche unterhalb der Schuhe im Vergleich zu Skiern eine größere Zusatzbelastung auf die Schneedecke aus bzw. Kann leichter in den Schnee einbrechen und tiefer gelegene Schwachschichten erreichen und stören.