Die Schneeschmelze schreitet weiter voran, die Lawinengefahr zieht sich immer weiter ins Hochgebirge zurück

Die reguläre Ausgabe des Lawinenreports ist beendet. Bei relevanten Änderungen der Lawinensituation gibt es aktuelle Informationen hier im Blog.

Blick auf Ifinger und Plattinger im Skigebiet Meran 2000. Am 08.04.2024 (oberes Bild) ist der Großteil der Fläche noch schneebedeckt und teilweise ist die Schneedecke mit Saharastaub bedeckt. Heute, also einen Monat danach am 08.05.2024 hat sich die Schneedecke deutlich zurückgezogen, sonnenexponierte Stellen sind weitestgehend aper, Schnee liegt fast nur mehr in Rinnen und Mulden. (Foto: www.meran2000.com)

Aktuelle Schnee- und Lawinensituation

Von gestern 7. Mai auf heute Mittwoch 8. Mai hat es im ganzen Land geregnet und erst oberhalb von meist 2000 m oder darüber auch geschneit. Am meisten Niederschlag fiel in der Ortler-Cevedale Gruppe, am automatischen Schneemessfeld Madritsch in Sulden auf 2826 m kamen 25 cm Neuschnee dazu. An der Lawinensituation ändert sich damit nur in hohen Lagen und im Hochgebirge in den Gebieten mit viel Neuschnee etwas. In Kombination mit teils lebhaftem Wind aus nordwestlichen Richtungen hat sich nämlich vor allem in Kammlagen im Hochgebirge Triebschnee gebildet. Dieser wird aber nur kurzfristig zu stören sein, da er sich durch die steigenden Temperaturen und Strahlung rasch setzen und verfestigen kann. Während sonnigen Phasen muss man vor allem in den Gebieten mit viel Neuschnee mit vermehrter Lockerschneelawinenaktivität rechnen.

Ansonsten gilt es im Frühling allgemein Nassschneelawinen zu beachten. Die Schneedecke wird durch Regen und Schmelze zunehmend durchfeuchtet. Kritisch ist vor allem die erste Durchfeuchtung der Schneedecke: d.h. aktuell am kritischsten zu bewerten sind wohl Nordhänge im Bereich von 2500 m oder etwas darüber. Die anderen Expositionen sind schon bis weiter hinauf durchfeuchtet worden, damit sind sie allgemein als günstiger zu bewerten. Ganz vereinzelt kann man weiterhin auch Gleitschneelawinen nicht ausschließen.

Für die motivierten Skitourengeher:innen sind sonst die Bedingungen in hohen Lagen und im Hochgebirge aufgrund der überdurchschnittlichen Schneehöhen noch sehr gut. Unter Berücksichtigung lokaler Gefahrenstellen und der aktuellen Lawinensituation sind viele klassische Frühjahrstouren möglich.

Der Lawinenwarndienst hat derzeit kaum Informationen aus dem Gelände, weshalb die Lawinengefahr vor Ort besonders gründlich überprüft werden sollte.

Rückblick Ende April – Anfang Mai

Die erste Hälfte des April war von sehr mildem Wetter geprägt. Die Temperaturen erreichten an der Station Obereggen Absam, 2125 m, über 15 °C, damit einher ging eine Schneeschmelze, die bis zum 16. April anhielt. Danach drehte die Anströmung auf nordwestliche Richtungen und es kam zu einer sehr kalten Phase, mit Temperaturen unter -15 °C, wie beispielsweise auf dem Wilden Freiger (3399 m). Mit einem Niederschlagsereignis um den 23. April gab es teilweise über einen halben Meter Neuschnee. In der Folge stiegen die Temperaturen Ende April wieder an. Danach setzte ein eher wechselhafter Wettercharakter ein.
Traumhafte, aber eisig kalte Bedingungen gab es nach den Schneefällen vom 22. und 23. April. Hier ein Bild von den Nordhängen der Lorchenspitz im Martelltal. Die Schneedecke war häufig pulvrig und ungebunden, im extrem steilen Gelände lösten sich trockene Lockerschneelawinen. (Foto: Lawinenwarndienst Südtirol, 25.04.2024)
Die obigen drei Grafiken zeigen in pink den Schneehöhenverlauf des vergangenen Winters im Vergleich zum langjährigen Mittel (dicke graue Linie; die Messreihen reichen teilweise mehr als 30 Jahre zurück). Der graue Bereich zeigt die Minimal- und Maximalwerte aus der Messreihe für den jeweiligen Tag. Die drei Standorte liegen ungefähr auf gleicher Höhe. Die zwei Standorte am Alpenhauptkamm, Melag (1915 m) und Klausberg (2000 m), zeigen eine meist überdurchschnittliche Schneehöhe; in den südlichen Landesteilen war sie lange Zeit unterdurchschnittlich, erst Ende Februar und im März lagen die Schneehöhen im Durchschnitt, oder, wie an der Station in Weißbrunn (1890 m), auch darüber.
Blick auf die Kehrer Alm im hintersten Ahrntal. Eine mittlere Gleitschneelawine (Größe 2) hat die Ahr kurzzeitig umgelenkt, sodass das Wasser des Baches die noch schneebedeckte Almwiese teilweise überschwemmt hat. (Foto: Lawinenwarndienst Südtirol, 04.05.2024)

Kurzer Rückblick auf die Wintersaison 2023/24 in Zahlen

Mit stärkeren Schneefällen Ende November hat die reguläre Warnsaison früher begonnen als üblich, am 24. November 2023 wurde der erste Lawinenreport veröffentlicht. Danach wurde für jeden Tag der Wintersaison eine Prognose der Lawinengefahr publiziert; der letzte Report für Südtirol wurde für Sonntag, 5. Mai 2024 geschrieben. Damit wurden 163 Lawinenreports veröffentlicht. Neben den täglichen Prognosen wurden in unregelmäßigen Abständen auch 28 Blogeinträge auf Deutsch und Italienisch ins Netz gestellt, um noch zusätzliche Informationen zur Schnee- und Lawinensituation zu liefern bzw. um Lawinenunfälle zu analysieren.

Fünf Millionen Zugriffe auf die Seite Lawinen.report bedeuten eine Steigerung auf ein Rekordniveau und eine Verdoppelung der Zugriffe im Vergleich zum Winter 2022/23.

Gefahrenstufe 5 – sehr große Lawinengefahr wurde nie prognostiziert; es gab aber insgesamt zehn Tage, an denen die Lawinengefahr in einigen Landesteilen mit großer Lawinengefahr, also Stufe 4 auf der fünfteiligen Skala bewertet wurde. In der ersten Winterhälfte betrafen die kritischen Lawinensituationen immer Tirol und damit zum Teil auch Südtirols Gebiete an der Grenze zu Tirol. Ab Februar kam es immer wieder zu Südstauereignissen und somit stieg die Lawinengefahr vor allem in den typischen Südstaulagen an.

Verlauf der täglichen Gefahrenstufenverteilung über die Warnsaison 2023/24. Es dominiert Gefahrenstufe 2, also mäßige Lawinengefahr.

Am häufigsten wurde über den Winter verteilt das Lawinenproblem „Triebschnee“ prognostiziert. Weiters war auch das Gleitschneeproblem immer wieder dominant, wenn auch lange nicht so kritisch wie in Nordtirol. Typisch für sogenannte Gleitschneewinter ist, dass das Altschneeproblem, so wie in diesem Winter, nur eine Nebenrolle spielt. Ergiebige Schneefälle gehen oft mit einem Neuschneeproblem einher. Dementsprechend war das Neuschneeproblem fast ausschließlich auf die Tage mit Gefahrenstufe 4 – große Lawinengefahr beschränkt.

Noch ein kurzer Blick auf die Lawinenunfallstatistik: dem Lawinenwarndienst Südtirol sind für den Winter 2023/24 19 Lawinenunfälle bekannt. Dabei wurden 36 Personen von den Schneemassen mitgerissen, sieben Personen haben sich dabei Verletzungen zugezogen, drei Personen verloren ihr Leben. Damit liegen wir bei den Todesopfern unter dem langjährigen Schnitt von fünf bis sechs Opfern.

In Italien starben diesen Winter laut heutigem Stand in Summe elf Personen in Lawinen, in Österreich sieben, in der Schweiz 19 und in Europa insgesamt 65. Im Durchschnitt sterben in den Alpen jährlich in etwa 100 Menschen in Lawinen. So liegt dieser Winter auch europaweit unter dem langjährigen Durchschnitt. Die aktuellen Statistiken für Italien findet man auf der Seite der AINEVA (Associazione Interregionale di coordinamento e documentazione per i problemi inerenti alla neve e alle valanghe), für Österreich auf lawis.at und für Europa auf der Seite der EAWS (European Avalanche warning services).