Heikle Lawinensituation – Analyse der Unfalllawine am Karjoch in Pfelders im Passeiertal, 03.03.2024

Rückblick der vergangenen Woche

Das vergangene Wochenende (02./03. März) war von einer Südanströmung geprägt, die vor allem in den typischen Südstaulagen vom Ultental bis ins Passeiertal bis zu 20 cm Neuschnee brachte. Der Neuschnee wurde von starkem Südwind begleitet, der vor allem in der Höhe frische Triebschneepakete heranwachsen ließ.

Die Tage von Montag (04. März) und Dienstag (05. März) waren von spontaner Lawinenaktivität geprägt, wie Rückmeldungen aus dem Passeiertal und dem Schnalstal ergaben.

Spontane Schneebrettlawine mit Staubanteil in der Nähe des Seelenkogels, oberhalb von Pfelders im Passeiertal. Staublawinen entstehen, wenn eine Lawine einen sehr steilen Hang hinunter rutscht, wobei sie durchaus Geschwindigkeiten von 100 km/h und bis zu 300 km/h erreichen kann. (Foto: Lawinenwarndienst, 04.03.2024)
Große spontane Schneebrettlawine unterhalb der Kolbenspitze oberhalb von Moos in Passeier, mit einer 450 m breiten Anbruchkante. Der Grund hierfür muss das Altschneeproblem sein. (Foto: Forststation St. Leonhard in Passeier, 05.03.2024)

Vor allem aufgrund von Rückmeldungen aus dem Schnalstal von Dienstag, 05. März, konnten wir das Vorhandensein von Oberflächenreif feststellen, ein Problem, das auch im Stubaital in Tirol gemeldet wurde. Aus den Aufzeichnungen der Wetterstation Grünboden (2015 m, siehe Grafik weiter unten) geht hervor, dass die Oberflächentemperatur der Schneedecke am Dienstagmorgen, 05. März, unter der Taupunkttemperatur der Luft lag: Diese Bedingungen begünstigen die Bildung von Oberflächenreif. Oberflächenreif kann, wenn er eingeschneit wird, schnell zu einer störanfälligen Schwachschicht werden.

Mittelgrosse Lawinen aus den Rinnen Richtung Langgrubjoch im Schnalstal. Im Vordergrund ist der Oberflächenreif zu erkennen, der in Folge von den nachfolgenden Niederschlägen eingeschneit wurde. (Foto: Ludwig Gorfer, 05.03.2024)

In der Nacht von Dienstag (05. März) auf Mittwoch (06. März) brachte eine neue Störung aus Süden in den Südstaulagen (vor allem im Passeiertal) bei mäßigem Wind bis zu 60 cm Neuschnee, lokal auch mehr. Ursprünglich waren die von den Modellen vorhergesagten Schneemengen geringer: Für Mittwoch wurde Gefahrenstufe 3 mit einem Altschneeproblem aufgrund von eingeschneitem Oberflächenreif vorhergesagt.

Nachdem es über Nacht mehr geschneit hatte als erwartet und bereits erste Rückmeldungen über spontane Lawinenabgänge aus dem Gebiet eingegangen waren, erfolgte am Mittwochmorgen für die Texelgruppe und das hintere Passeiertal ein Update auf Gefahrenstufe 4, groß.

Gefahrenstufen für Mittwoch, den 07. März, aktualisiert um 8.00 Uhr morgens.

Für Donnerstag (07. März) war sonniges Wetter vorhergesagt. Solche Bedingungen fördern die Umwandlung von nicht gebundenem Neuschnee in ein gebundenes Schneebrett, das für die Entstehung von Schneebrettlawinen notwendig ist. Aus diesem Grund wurde für den Folgetag (Donnerstag, 07. März) Gefahrenstufe 4, groß, beibehalten. Für Freitag (08. März) wurden keine spontanen Lawinen mehr erwartet, weshalb die prognostizierte Gefahrenstufe auf 3, erheblich, zurückgestuft wurde.

Kurze Prognose

Neuschneevorhersage für die Sextner Dolomiten.

Die für Sonntag, 10.03.2024, prognostizierten Schneefälle führen in Verbindung mit dem starken Wind aus südlicher Richtung zu einem Anstieg der Lawinengefahr. In den Südstaulagen sind bis zu 40 cm Neuschnee möglich, in den restlichen Landesteilen werden 15 bis 30 cm Neuschnee erwartet.

Analyse der Unfalllawine am Karjoch in Pfelders im Passeiertal, 03.03.2024

Am Sonntag, 03.03.2024, hat sich unterhalb der Bergstation der Karjochbahn (Skigebiet Pfelders) abseits der Piste ein Lawinenunfall ereignet, wo ein Jugendlicher leider sein Leben verloren hat.

Nachdem der Jugendliche mit dem Sessellift die Bergstation erreicht hatte, verließ er kurz unterhalb der Bergstation des Skilifts die Piste und wurde von einer Schneebrettlawine verschüttet. Es handelte sich um eine kleine Lawine (Größe 1) an einem nord-west exponierten Hang. Die Schneemassen kamen auf einer flachen Kehre einer Forststraße zu liegen, die somit zu einer Geländefalle wurde. Der starke Nebel verhinderte, dass jemand die Lawine bemerkte. So wurde erst einige Stunden später die Bergrettung allarmiert, weil der Jugendliche nicht nach Hause zurückgekehrt war. Als sich der Nebel gelichtet hatte, konnte der Verschüttete spät am Abend nach langer Suche von der Bergrettung gefunden werden.

Foto der Unfalllawine neben der Piste. (Foto: Lawinenwarndienst Südtirol, 04.03.2024)

Der Lawinenwarndienst war am Tag nach dem Unfall für einen Lokalaugenschein vor Ort und hat eine Schneedeckenuntersuchung inklusive Stabilitätstest durchgeführt.

Aus dieser Untersuchung ging keine eindeutig dominante, persistente Schwachschicht in der Schneedecke hervor. Während eines Stabilitätstests konnte zwar in einer sehr weichen Schicht aus filzigen Kristallen und etwas Graupel, unter weichem, aber gebundenem Triebschnee, ein Bruch ausgelöst werden, aber fortgepflanzt hat sich dieser nicht. Vermutlich war die Unfalllawine am Tag zuvor in dieser sehr kurzlebigen Schwachschicht innerhalb des frischen Neu- und Triebschnees gebrochen. Über Nacht hatte sich die Schneedecke allerdings so weit stabilisiert, als dass am nächsten Tag (Tag des Lokalaugenscheines) keine Bruchfortpflanzung mehr möglich war.

Schneeprofil neben der Unfalllawine (Profile auf  www.lawis.at , 04.03.2024)

Am Unfalltag waren an der Wetterstation Grünboden (2015 m) ca. 15 cm Neuschnee gefallen. Der mäßige, teilweise starke Wind, konnte den frischen Schnee in den nord-west exponierten Hang verfrachten und das Triebschneepaket bilden.

Daten der Stationen Grünboden (2015 m) und Rauhjoch (2926 m) in Pfelders. Beim Schneehöhenverlauf erkennt man den Neuschnee vom 2. auf den 3. März recht gut, die Temperaturen waren winterlich und mit dem Wind bildete sich störanfälliger Triebschnee.