Rückblick auf die vergangene Woche
Mit den milden Temperaturen, der hohen Luftfeuchtigkeit und der diffusen Strahlung von Ende letzter Woche wurde die Schneedecke bis weit hinauf komplett durchfeuchtet. Mit zunehmendem Wassergehalt sickert das Wasser immer tiefer in die Schneedecke hinein und staut sich an markanten Schichtgrenzen. Dort kann es durch den lokal hohen Wassergehalt zu einem Festigkeitsverlust und letztlich zu einer Lawinenauslösung kommen. Besonders betroffen waren Hänge, die das erste Mal durchfeuchtet wurden, sowie Hänge mit einem bereits schwachen Schneedeckenaufbau. Hier kam es zu mehreren spontanen Lawinenabgängen.
Am Samstag, dem 25.03.2023, ereigneten sich zudem drei Lawinenunfälle. Dabei wurden zwei Personen verletzt und zwei Personen verloren ihr Leben.
Großklausental, Ahrntal – 25.03.2023
Eine einzelne Skitourengeherin war gerade im Aufstieg im Großklausental, Richtung Breitrast, als sie auf etwa 2000 m von einer nassen Schneebrettlawine ca. 180 m mitgerissen wurde. Die Verunfallte wurde teilverschüttet. Lediglich ein Arm und der Kopf ragten aus den Schneemassen hervor. Dadurch konnte sie sich zwar nicht selbst befreien, schaffte es jedoch einen Notruf abzusetzen und konnte leicht verletzt geborgen werden.
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Ablagerung der Lawine im Grossklausental. (Foto: Bergrettung Ahrntal, Robert Tasser, 25.03.2023) |
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Anriss der Schneebrettlawine im Großklausental. Die Lawine brach im vom Regen geschwächten Altschnee an. (Foto: Bergrettung Ahrntal, Robert Tasser, 25.03.2023) |
Melager Alm, Graun im Vinschagu – 25.03.2023
Eine Gruppe aus vier Skitourengehern befand sich im Aufstieg am Rande einer Moräne hinter der Melager Alm. Sie hatten bereits die Skier ausgezogen, da die Moräne teilweise aper war, als ein Tourengeher von einer nassen Lockerschneelawine erfasst und mitgerissen wurde. Obwohl der Skitourengeher an der Oberfläche liegen blieb, zog er sich Verletzungen zu und musste ins Krankenhaus gebracht werden.
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Nasse Lockerschneelawine auf einer Moräne hinter der Melager Alm in Langtaufers. (Foto: CNSAS Melag, Armin Plangger, 25.03.2023) |
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Ablagerung der Lockerschneelawine hinter der Melager Alm in Langtaufers. (Foto: Weihtaler Egon, 25.03.2023) |
Auch in Langtaufers hatte es in der Nacht von Freitag, 24.03. auf Samstag, 25.03. geregnet, wodurch die Schneedecke durchfeuchtet und destabilisiert wurde.
Rotberg, Ahrntal – 25.03.2023
Nachdem Feriengäste am Samstag nicht von einer Wanderung zurückgekehrt waren, alarmierte der Vermieter am Sonntagmorgen die Rettung. Nach einer ausgedehnten Suchaktion wurden die vermissten Wanderer leblos in einer Rinne im Trippachtal unterhalb des Rotbergs gefunden. Sie waren schon am Vortag – vermutlich beim Queren der Rinne – von der nassen Lockerschneelawine erfasst und tödlich verletzt worden.
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Rinne im Trippachtal, Ahrntal, in der die nasse Lockerschneelawine anbrach und die zwei Wanderer mitriss. (Foto: Bergrettung Ahrntal, Robert Tasser, 25.03.2023) |
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Ablagerung der Nassschneelawine im Trippachtal, Ahrntal, welche zwei Wanderer tödlich verletzt hatte. (Foto: Bergrettung Ahrntal, Robert Tasser, 25.03.2023) |
Mit diesen Ereignissen stieg die Anzahl der Lawinenunfälle in Südtirol in dieser Saison auf 18, wobei insgesamt sieben Personen starben.
Neben der Abkühlung sorgte die Kaltfront zudem für windige Verhältnisse nicht nur in den Bergen, sondern auch im Tal. Viele unserer Stationen registrierten Windböen von über 80 km/h. Damit wurde der Neuschnee intensiv verfrachtete. In den neuschneereichen Gebieten bildeten sich dadurch viele, teils auch mächtige Triebschneeansammlungen. Diese waren spröde und zunächst leicht auslösbar. Wir erhielten mehrere Meldungen von Wummgeräuschen, Rissen in der Schneedecke sowie von guten Sprengerfolgen.
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Am 28.03.2023 ausgelöste Schneebrettlawine in der sogenannten Cembra Mulde im hinteren Schnalstal. Der Triebschnee war spröde und sehr störanfällig. (Foto: Ludwig Gorfer, 28.03.2023) |
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Am Dienstag herrschten kalte und windige Verhältnisse. Stellenweise fand man aber guten Pulverschnee, wie hier im Rojental. (Foto: Robert Welscher, 28.03.2023) |
Am gestrigen Mittwoch schneite es zunächst in weiten Teilen des Landes. Im Tagesverlauf zogen sich die Niederschläge auf den Alpenhauptkamm zurück. Die Temperaturen stiegen im Tagesverlauf deutlich an, wodurch die Schneedecke angefeuchtet wurde. An einigen Hängen gingen kleine, meist nur oberflächliche nasse Lawinen ab. Die Triebschneeansammlungen konnten sich währenddessen durch die milden Verhältnisse vor allem an Sonnenhängen stabilisieren. An Schattenhängen und in hohen Lagen bleiben sie aber weiterhin störanfällig, wodurch dort die Gefahr nur langsam abnimmt.
Ausblick
Die unbeständige Westströmung bleibt bestehen. Am heutigen Donnerstag steigt die Nullgradgrenze im Süden auf beinahe 3000 m, im Norden liegt sie tiefer. Immer wieder sind kurze Regen- und Schneeschauer möglich. Damit wird die Schneedecke unterhalb von 2200 – 2400 m durchfeuchtet und die Auslösebereitschaft von nassen Lawinen steigt vorübergehend an. Am morgigen Freitag bringt eine Störung verbreitet Schneefälle und es kühlt wieder ab. Der Wind bläst stark aus Südwest. Die Gefahr von nassen Lawinen nimmt mit der Abkühlung im Tagesverlauf ab, während die Gefahr von trockenen Lawinen in den Hauptniederschlagsgebieten ansteigt.
Am Wochenende geht es dann wechselhaft weiter, immer wieder ziehen kleinere Frontensysteme durch. Es kühlt dabei langsam ab und gebietsweise kann wieder etwas Neuschnee dazukommen. Im Bezug auf die Lawinengefahr ändert sich nur wenig. Weiterhin stellen die frischen und älteren Triebschneeansammlungen die Hauptgefahr dar.