Langsamer Rückgang der Gefahr von trockenen Lawinen – Nassschnee im Tagesverlauf

Der Sonnenschein, die milden Temperaturen und der schwache Wind sorgte nicht nur im Tal, sondern auch auf den Bergen zu nahezu frühlingshaften Bedingungen und dies bereits Mitte Februar. Die Nullgradgrenze lag bis Mitte der Woche auf ca. 3000 m und sank mit Donnerstag wieder unter 2500 m ab. An einigen Schneemessfeldern, wie beispielsweise Zallinger – Seiser Alm (2055 m), am Pratznerberg (2450 m) oder auf der Stutzenalm (2050 m) wurden in den Nachmittagsstunden am Mittwoch,12.02.2023 sogar Temperaturen über 10 °C gemessen.
Traumhaftes Wetter am Gipfelplateau des Großen Tartscherkopfs mit Blick Richtung Ortler. (Foto: Ludwig Gorfer, 14.02.2023)

Durch diese frühlingshaften Bedingungen hat die Anzahl der Stellen, wo Schneebrettlawinen ausgelöst werden können, deutlich abgenommen. Störanfällige, kantig aufgebaute Schwachschichten findet man immer noch in sehr steilem, schattigem Gelände oberhalb von 2200 m, sowie an Sonnenhängen in der Höhe. Diese können besonders an Übergängen von wenig zu viel Schnee, wie zum Beispiel bei der Einfahrt in Rinnen oder in bisher unverspurtem Gelände ausgelöst werden.
Im Bild ein Übergang von wenig zu viel Schnee. Oft ist die Schneedecke an der Oberfläche sehr hart, darunter ist die Schneedecke aber teilweise massiv kantig aufgebaut. Das heißt eine Lawinenauslösung ist schwierig, aber nicht ausgeschlossen, wenn die schwache Basis gestört wird. (Foto: Lawinenwarndienst Südtirol, 15.02.2022)

Schneeprofil zu obigem Bild. Die Schneeoberfläche besteht aus sehr hartem Triebschnee, auf dem durch den „Brückeneffekt“ (bridging-effect) die Auflast eines Wintersportlers gut verteilt und getragen wird. Fehlt dieser Effekt zeigt sich, dass die sehr schwache Basis sehr sensibel auf Belastungen reagiert und sofort bricht (ECTP0).
Oft besteht die schwache Basis aus massiv kantig aufgebauten Becherkristallen. (Foto: Lawinenwarndienst Südtirol, 15.02.2022)

Mit den milden Temperaturen und der Sonneneinstrahlung wurde die Schneedecke vor allem an steilen Südost- über Süd- bis Südwesthängen unterhalb von ca. 2600 m durchfeuchtet. Es gingen mehrere meist kleine, zum Teil auch mittlere nasse Lockerschneelawinen ab. Große nasse Lawinen wurden uns keine gemeldet. Bei einer durchdachten Tourenplanung fand der eine oder andere Wintersportler somit auch eine Firnabfahrt vor.
Perfekter Firn an Südhängen in den westlichen Pfunderer Bergen. (Foto: Florian Leitner, 15.04.2023)

In sonnenabgewandten Hängen blieb der Schnee jedoch größtenteils trocken und die Schneeoberfläche war je nach Windeinfluss pulvrig oder windgepresst. Stellenweise fand man auch Sastrugi bzw. Windgangel. Auf der harten Schneeoberfläche sollte die Absturzgefahr berücksichtigt werden. 
In den kommenden Tagen, kühlt es zwar etwas ab, jedoch nimmt die Luftfeuchtigkeit wieder zu. Auch die nächtliche Ausstrahlung ist gebietsweise eingeschränkt. Dadurch ist die Schneeoberfläche bereits am Morgen nicht völlig gefroren und kann somit trotz tieferen Temperaturen und geringerer Sonneneinstrahlung aufweichen. 

Noch einige Bilder und Grafiken zur allgemeinen Schneelage: Ausgenommen von einigen Gebieten im Nordosten, liegt in Südtirol aktuell meist deutlich weniger Schnee als im Durchschnitt.

Unterdurchschnittliche Schneehöhen meldet unser Beobachter in Pens, Sarntal. 

Abgeblasene Rücken und Kämme, kein seltenes Bild nach dem Sturmereignis vom 05.02.2023. Allgemein liegt sehr wenig Schnee für Mitte Februar. (Foto: Josef Hilpold, 13.02.2023)

Blicken wir noch kurz auf die Lawinenunfälle und Lawinenmeldungen, die uns in der letzten Woche erreichten.

08.02.2023 – Kitzkogel, Moos in Passeier

Fünf Skitourengeher befanden sich im Aufstieg Richtung Kitzkogel im Hinteren Passeiertal, als sich in einem Steilhang unterhalb der sogenannten Wasserfalle auf ca. 2650 m eine Schneebrettlawine löste. Die Lawine riss drei Skitourengeher ca. 50 m mit. Zwei Personen wurden teilverschüttet, die dritte Person zog den Airbag und blieb an der Oberfläche. Die Verschütteten konnten durch die Kameraden rasch aus den Schneemassen befreit werden und blieben unverletzt. Die Gruppe fuhr selbstständig ins Tal ab, wo sie sogleich den Lawinenunfall meldeten, um keinen unnötigen Rettungseinsatz zu verursachen.

Unfalllawine unterhalb des Kitzkogel. (Foto: Forststation St. Leonhard, 09.02.2023)

Die Forststation St. Leonhard, führte am Folgetag eine Schneedeckenuntersuchung an der Unfalllawine durch. Vor allem im oberen Bereich der Lawine fand man einen harten Winddeckel, der durch den stürmischen Wind am Wochenende zuvor entstanden war. Wir gehen davon aus, dass die Lawine zunächst in der kantigen lockeren Schicht unterhalb der oberen Schmelzharschkruste anbrach und in der Folge zum Teil bis zur bodennahen lockeren Schicht aus Becherkristallen durchgebrochen ist.

Schneeprofil an der Unfalllawine vom 08.02.2023.

Mit dieser Lawine ist die Anzahl der Unfalllawinen in Südtirol für die Saison 2022/23 auf 12 gestiegen. 

12.02.2023 – Lawinenmeldung, Windtal, Ahrntal

Weiters erhielten wir am 12.02.2023 eine Meldung von einem zunächst vermuteten Lawinenunfall. Zwei Skitourengeher fanden bei der Abfahrt durch das Windtal im hinteren Ahrntal eine Lawine vor, in die eine Spur hineinführte, aber nicht heraus. Sie begannen mit der LVS-Suche und entdeckten ein Signal. Daraufhin alarmierten sie die Bergrettung. Die Bergrettung Ahrntal suchte mit dem Hubschrauber den Lawinenkegel ab und fand an zwei Orten ein schwaches Signal. Weitere Bergretter wurden zur Lawine geflogen und suchten den Lawinenkegel ab, fanden aber nur zeitweise ein Signal, das sich immer wieder verlor. Nachdem die Bergretter den Lawinenkegel mehrfach mittels LVS, Sonden und Suchhunden absuchten und nichts gefunden hatten, wurde der Einsatz am späten Nachmittag beendet.