Am Tag zuvor hatte verbreitet böiger Nordwind mit Windspitzen von über 60 km/h eingesetzt. Der Wind verfrachtete den lockeren Altschnee intensiv und bildete so frische Triebschneeansammlungen. Am Unfalltag herrschte an allen Expositionen, oberhalb der Waldgrenze ein Triebschneeproblem sowie oberhalb von 2200 m ein Altschneeproblem, bei Gefahrenstufe 3, erheblich.
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Kartierte Unfalllawine (rot) unterhalb des 2486 m hohen Sobutsch. |
Die Lawine war ca. 550 m lang und bis zu 100 m breit, mit einer Anbruchhöhe von über 50 cm.
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Übersichtsbild der Unfalllawine unterhalb des Helmhauses. Links oberhalb der Lawine sind die Skispuren zu erkennen. (Foto: CNSAS Sexten, 21.01.2023) |
Zwei Tage vor dem Unfall (23.01.2023) fiel in den Sextner Dolomiten und östlich davon 30 – 50 cm Neuschnee. Der Neuschnee kam auf eine Großteils kantig aufgebaute Altschneedecke zu liegen, zum Teil auf schwachen Schmelzkrusten. Am 24.01.2023 setzte kräftiger Nordostwind ein, wodurch der lockere Neuschnee verfrachtet wurde. Oberhalb der Waldgrenze herrschte ein Triebschneeproblem in Kombination mit einem Altschneeproblem bei Gefahrenstufe 3, erheblich.
26.01.2023 – Plose, Brixen
Zwei Tourengeher fuhren von der Plose aus Richtung Brixen ab. In einem über 35° steilen Südosthang löste sich eine Lawine und riss eine Person mit. Dem Tourengeher gelang es jedoch, aus der Lawine herauszufahren. Erhebungen vor Ort zeigten, dass die für die Lawine verantwortliche Schwachschicht eingeschneiter Oberflächenreif war, der von frischem Triebschnee überlagert wurde.
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Anbruchzone der Unfalllawine. (Foto: Matthias Hofer, 26.01.2023) |
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Sturzbahn der Unfalllawine vom Anbruchgebiet aus fotografiert. (Foto: Matthias Hofer, 26.01.2023) |
28.01.2023 – Drei Zinnen, Toblach
Drei Skitourengeher stiegen ausgehend von Misurina über die Auronzohütte Richtung Col di Mezzo und dann weiter Richtung Zinnenkopf. Im Bereich der
Zinnenscharte gelangten sie über eine kleine Scharte auf die Nordseite unterhalb der Zinnen.
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Geringe Schneehöhen und gut verfestigte Schneedecke im südexponierten Gelände oberhalb der Auronzohütte. (Foto und Bearbeitung: Erwin Steiner, 30.01.2023) |
Da der obere Teil der Rinne nahezu schneefrei war, stiegen die Tourengeher zunächst mit Steigeisen ab. Am Hang unterhalb der westlichen Zinne lag ausreichend Schnee, somit fuhren die Tourengeher diesen Hang mit Skiern ab. Im unteren Drittel des Hanges löste sich ein großes Schneebrett und riss die Tourengeher mit.
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Nordseitig war die Schneedecke stark kantig aufgebaut und wurde vom Schnee, der Anfang der Woche gefallen war, überlagert. (Foto und Bearbeitung: Erwin Steiner, 30.01.2023) |
Eine Person wurde teilverschüttet, die anderen komplett verschüttet, wobei eine Hand und ein Ski aus dem Schnee ragten. Der teilverschütteten Person gelang es rasch, sich selbst zu befreien. In kurzer Zeit ortete er die anderen zwei Verschütteten und grub sie aus. Beide Personen waren weniger als 50 cm tief verschüttet. Trotz der
sich in der Fließrichtung der Lawine befindenden Felsblöcke überstanden alle
drei Beteiligten den Lawinenabgang unverletzt. Nachdem sich alle Personen aus den Schneemassen befreien konnten, riefen die Kameraden die Rettung. Sie wurden mit dem Hubschrauber ins Tal geflogen.
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Übersichtsbild der Unfalllawine unterhalb der westlichen Zinne. (Foto und Bearbeitung: Erwin Steiner, 30.01.2023) |
Gemeinsam mit der Bergführeranwärter Ausbildung wurden die Erhebungen an der Unfalllawine durchgeführt. Die Triebschneeansammlungen, die in den Tagen zuvor entstanden waren, überlagerten an Schattehängen eine stark kantig aufgebaute Altschneedecke. Bodennah fand man zum Teil bis zu 4 mm große Becherkristalle. Risse und Wummgeräusche bestätigten den ungünstigen Schneedeckenaufbau.
03.02.2023 – Speikboden, Sand in Taufers
Ein Skitourengeher stieg am Nachmittag alleine auf die Speikbodenspitze und fuhr dann über eine nordostexponierte extrem steile Rinne ab. In der Abfahrt löste sich ein mittleres Schneebrett und riss den Tourengeher mit. Erst nach einer ausgiebigen Suchaktion konnte der Vermisste um 22 Uhr aus den Schneemassen geborgen werden. Unter Reanimation wurde die Person ins Krankenhaus gebracht, es kam jedoch jede Hilfe zu spät.
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Umriss der Lawine einige Tage nach dem Unfall ist durch den gefallenen Schnee und Wind nur mehr schwer zu erkennen. (Foto: Lawinenwarndienst, 05.02.2023) |
Am Tag vor dem Unfall fiel im Gebiet bis zu 30 cm Neuschnee. Im Tagesverlauf nahm der Nordwind an Stärke zu und wurde zum Teil stark, in Kammlagen auch stürmisch. Neu- und Triebschnee lagen verbreitet auf einer ungünstigen Altschneedecke. Im Gebiet herrschte am Unfalltag oberhalb der Waldgrenze ein Neu- und Altschneeproblem bei Gefahrenstufe 3, erheblich
04.02.2023 – Limojoch, Enneberg
Zwei Skitourengeherinnen befanden sich im Aufstieg auf den 2562 m hohen Sas dai Bec, als sie von einem Schneebrett erfasst wurden. Eine Person befand sich am Rand und wurde nur weniger Meter mitgerissen, die andere Person wurde hingegen komplett verschüttet. Gemeinsam mit einer Gruppe von Tourengehern, die das Geschehen beobachtete, konnte die Verschüttete aus den Schneemassen geborgen und ein Notruf abgesetzt werden. Die Skitourengeherin war rund zwei Meter tief verschüttet. Wiederbelebungsmaßnahmen blieben erfolglos. Aufgrund des stürmischen Nordwindes konnte der Rettungshubschrauber nicht direkt zur Unfallstelle fliegen. Die Rettungskräfte und der Notarzt gelangten mittels Motorschlitten und zu Fuß zur Lawine.
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Stürmische Verhältnisse erschwerten die Rettung. In der Höhe wurden Windgeschwindigkeiten von über 100 km/h registriert. (Foto: CNSAS Enneberg, 04.02.2023) |
Die Lawine war ca. 50 m breit und 70 m lang, hatte aber eine Anbruchhöhe von bis zu einem Meter. Schneeprofile und Modellierungen der Schneedecke aus diesem Gebiet, zeigen, dass die Schneedecke vor den leichten Schneefällen am 03.02.2023 weitgehend kantig ausgebaut war. Mit dem stürmischen Wind wurde der lockere Altschnee intensiv verfrachtet und in Rinnen und Mulden oder hinter Geländekanten abgelagert.
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Kartierte Unfalllawine (rot) am Limojoch. |