Aktuelle Situation
Achtung vor störanfälligem Triebschnee, besonders an Schattenhängen.
Triebschnee stellt derzeit das übergeordnete Lawinenproblem in allen Teilen Südtirols dar. Seit Mittwochnachmittag, 16.02. hat der Nordwestwind ordentlich an Stärke zugelegt und weht auf den Bergen bis in den Freitag hinein stürmisch. Dadurch wird der Neuschnee, aber auch lockerer Altschnee umfangreich verfrachtet und als Triebschnee in windberuhigteren Hanglagen abgelagert. Dort, wo mehr lockerer Schnee zur Verfügung steht, sind Triebschneepakete – und folglich auch mögliche Lawinen – entsprechend größer.
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Stürmischer Wind auf den Bergen verfrachtet den Neuschnee und den lockeren Altschnee intensiv. (Foto: Lawinenwarndienst, 17.02.2022) |
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Der stürmische Nordwestwind hält noch bis in die Nacht auf Freitag, 18.02.2022 an. Dann schwächt er etwas ab und dreht über West auf Südwest (Lawinen.report). |
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Mächtige Schneefahnen zeugen vom stürmischen Wind und folglich umfangreichen Schneetransport in den Bergen (Foto: https://www.foto-webcam.eu/webcam/trafoi , 17.02.2022). |
Der Wind sorgt also dafür, dass das notwendige Schneebrett für eine mögliche (Schneebrett-)Lawine in Form von Triebschnee vorhanden ist. Schwachschichten finden sich nun einerseits als weichere Schichten im Neu- und Triebschneepaket selbst (1) oder im Altschnee bzw. an der Altschneeoberfläche (2):
1) Aufgrund der derzeit sehr milden Temperaturen (die Nullgradgrenze erreicht am Freitag, 18.02.2022 die 3000 m) sind Probleme innerhalb des Neu- und Triebschneepakets sehr kurzlebig – die Schichten verbinden sich untereinander sehr rasch. Insbesondere im Südsektor dürften Triebschneepakete bereits am Freitag kaum mehr auszulösen sein.
2) Ungünstiger sind Schwachschichten an der Altschneeoberfläche. Diese bestehen häufig aus kantigen Kristallen, deren Störanfälligkeit erfahrungsgemäß deutlich langsamer abnimmt – man spricht auch von langlebigen oder persistenten Schwachschichten. Solche Schwachschichten finden sich insbesondere im Nordsektor oberhalb von 2200 m. Dort konnten sich die Schneedecke aufgrund eines oberflächennahen Temperaturgradienten an wolkenlosen Tagen aufbauend umwandeln.
Störanfällige Triebschneepakete können vor allem in Rinnen, Mulden, aber auch an Felswandfüßen angetroffen werden. Windzeichen können auf solche Gefahrenstellen hinweisen.
Gefährliches Altschneeproblem insbesondere im Nordwesten
Markante, störanfällige Schwachschichten im mittleren und unteren Teil der Altschneedecke finden wir besonders entlang des Alpenhauptkamms. Vor allem in Langtaufers sowie den Münstertaler Alpen sind diese Schwachschichten an oder zwischen Schmelzkrusten besonders gut ausgeprägt. Dominant ist auch dieses Problem in West-, Nord- und Osthängen oberhalb der Waldgrenze und v.a. bis etwa 2600 m. Profile sowie Rückmeldungen von Setzungsgeräuschen, Rissen, aber auch vereinzelten ausgelösten Lawinen bestätigen diese Situation.
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Beispiel eines schwachen Schneedeckenaufbaus in den Münstertaler Alpen. In unmittelbarer Nähe dieses Profils wurde zwei Tage zuvor eine Schneebrettlawine fernausgelöst – siehe Abschnitt „Rückblick“ (Profil: Forststation Graun, 2540 m, O, 37°) |
Je nach Schneeüberdeckung können sich Brüche innerhalb dieser Schwachschichten weit ausbreiten und Lawinen können groß werden! Da Altschneeprobleme naturgemäß schwierig zu erkennen sind, ist hier vor allem Zurückhaltung das Gebot der Stunde.
Rückblick
Wetterentwicklung
Mit einer Kaltfront wurde am Freitag, 11.02. eine überaus milde und sonnige Wetterphase Mitte letzter Woche beendet. Die Temperaturen nahmen spürbar ab und entlang des Alpenhauptkamms fielen einige Zentimeter Neuschnee. Daraufhin lockerte die Bewölkung allerdings recht rasch wieder auf und es folgte ab Samstag, 12.02. eine Hochdruckwetterlage mit wenig Wind und viel Sonne. Während dieser Zeit war vor allem das Altschneeproblem entlang des Alpenhauptkamms für die Lawinengefahr bestimmend. Südlich davon war die Lawinengefahr meist mäßig oder gering, mit einzelnen Gefahrenstellen, welche dem Triebschneeproblem zuzuordnen waren.
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Allgemein konnte man am vergangenen sonnigen Wochenende bei meist mäßiger Lawinengefahr noch guten, lockeren Pulverschnee finden (Foto: Lawinenwarndienst, 12.02.2022) |
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Zahlreiche Skitourengeher auf dem Weg zur Gürtelwandspitze im Passeiertal (Foto: Armin Rofner, 13.02.2022) |
Beendet wurde das Hochdruckwetter mit einem Italientief, welches ab frühen Dienstagmorgen, 15.02.2022 im ganzen Land zu Schneefall führte. Am Dienstagvormittag schneite es teils bis ins Unterland und nach Bozen. Am meisten Niederschlag wurde mit 20 bis 30 cm in den Dolomiten verzeichnet. Ansonsten fielen auf den Bergen verbreitet 10 – 20 Zentimeter, lokal auch weniger.
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Das Italientief am Dienstag, 15.02. sorgte vor allem in den Dolomiten für etwas Neuschneezuwachs. Nur wenig Schnee wurde im oberen Vinschgau und im hinteren Ahrntal und der Rieserfernergruppe verzeichnet (Lawinen.report). |
Durch die markante Erwärmung und die Sonneneinstrahlung am Donnerstag und am Freitag wurde die Schneedecke bis in Höhenlagen von etwa 2000 bis 2200 m angefeuchtet. Im Nordwesten wurde am Donnerstagmorgen zudem leichter Nieselregen bis in hohe Lagen beobachtet, der die Schneedecke schnell anfeuchtet und zu einem Festigkeitsverlust führte.
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Markanter Temperaturanstieg in allen Höhenlagen. Hier die Stationsdaten von Schöneben 2040 m (zweites Panel von oben) und von der Elferspitze 2926 m (letztes Panel). |
Lawinenereignisse
Eine Rückmeldung einer Schneebrettlawine erreichte uns am Samstag, 12.02.2022 vom Äußeren Nockenkopf nordwestlich von Rojen. Dort wurde von einer Skitourengruppe in der Abfahrt eine mittelgroße Schneebrettlawine an einem Osthang auf 2500 m fernausgelöst. Die Anrissmächtigkeit erreichte knappe 3 m. Es wurde niemand mitgerissen. Als Schwachschicht dienten große, kantig aufgebaute Kristalle im unteren Teil der Altschneedecke, welche von einem mitunter mächtigen Triebschneepaket überdeckt wurden.
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Der Anriss der Schneebrettlawine war bis zu 3 Meter hoch. Wie im Bild gut zu erkennen, befand sich die Schwachschicht im unmittelbar bodennahen Bereich (Foto: Tobias Folie, 12.02.2022). |
Ausblick
Am Wochenende selbst ist lawinentechnisch nur wenig Veränderung zu erwarten. Triebschneepakete haben sich dann bereits gut mit der Altschneedecke verbunden und sollten nur mehr an Schattenhängen teils störanfällig sein. Das Altschneeproblem – besonders im Nordwesten – bleibt jedoch vorerst noch bestehen.
Eine Änderung steht uns dann am Montag, 21.02.2022 bevor: Mit der weiterhin kräftigen Nordwestströmung wird eine Störung vom Atlantik an die Alpen herangetragen. Sie bringt in Südtirol vor allem entlang des Alpenhauptkamms etwas Neuschnee mit sich. Mit starkem Wind entstehen wieder störanfällige Triebschneepakete, welche die Lawinengefahr ansteigen lassen.
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Ab Montag könnte es mit einer nordwestlichen Anströmrichtung wieder etwas Neuschnee geben. Erfahrungsgemäß trifft es hier wieder insbesondere Stauzonen entlang des Alpenhauptkamms. |