Langlebige Schwachschichten und teils frühlingshafte Verhältnisse

 Aktuelle Situation 

Derzeit haben wir es in ganz Südtirol mit einem Altschneeproblem zu tun, also mit persistenten Schwachschichten in der Schneedecke. Diese findet man an allen Expositionen oberhalb von ca. 2000 m. Die teils störanfälligen Schichten befinden sich häufig im mittleren Teil der Schneedecke in Form von eingeschneitem Oberflächenreif oder als kantig aufgebaute Kristalle, ober- oder unterhalb von verschiedenen Krusten. Besonders zu erwähnen ist die Kruste, die sich um Weihnachten gebildet hat.

Eingeschneiter Oberflächenreif unter einer ca. 50 cm dicken Schicht aus kleinen, runden Kristallen. Sie war vermutlich verantwortlich für mehrere spontane Lawinenabgänge im hinteren Gsiesertal. Am Profilort selbst (Link), konnte jedoch kein Bruch mehr initiiert werden. (Foto: Lawinenwarndienst Südtirol, 04.02.2021)
Gleichzeitig sind stellenweise ausgeprägte, bodennahe Schwachschichten zu beobachten, die sich durch die lange Kältephase von Anfang Jänner gebildet haben, vor allem in jenen Gebieten mit geringer Schneehöhe und folglich großem Temperaturgradient. Dieser ist nötig, damit sich die Kristalle aufbauend umwandeln. 

Die stark kantig aufgebaute bodennahe Schwachschicht aus Becherkristallen und kantigen Kristallen ist bereits mit freiem Auge zu erkennen. Die dazugehörige Schneedeckenuntersuchung wurde im Anbruchbereich eines frisch ausgelösten Schneebretts (Größe 1, 2300 m, ostexponiert) oberhalb der Pfinnalm durchgeführt. Hier der Link zum Profil (Foto: LWD, 04.020.2021). Das Bild zur Lawinen findet ihr am Ende dieses Blogs.


Das Altschneeproblem ist äußerst schwierig zu erkennen und wird deshalb häufig auch als „Expertenproblem“ bezeichnet. Örtlich kann es komplexe Muster aufweisen: es kann sowohl großflächig verteilt, als auch kleinräumig konzentriert sein. Besondere Vorsicht gilt an Übergängen von wenig zu viel Schnee. Hhier können die Schwachschichten leichter gestört werden. Wummgeräusche und Risse in der Schneedecke können auf einen ungünstigen Schneedeckenaufbau hinweisen, sind aber nicht zwingend vorhanden. Deshalb gilt es beim Altschneeproblem defensiv unterwegs zu sein! Hier findest du weitere Informationen zum Altschneeproblem und zu den derzeit relevaten Gefahrenmustern. 

Hinzu kommt das Nass- und Gleitschneeproblem. Die Schneedecke ist in tiefen Lagen oft feucht, im sonnenexponierten Gelände reicht die Anfeuchtung teils auch bis 2400 m hinauf. Die warmen Temperaturen, gekoppelt mit der hohen Luftfeuchtigkeit und der graduierlich stärker werdenden Einstrahlung, feuchtet die Schneedecke zunehmend an. Der Feuchteeintrag führt zu einem Festigkeitsverlust innerhalb  der Schneedecke bzw. an der Grenze zum Boden. Da vielerorts große Schneemengen vorhanden sind, können Lawinen dementsprechend groß werden. Erneut stellt dies viele Lawinenkommissionen vor eine große Herausforderung.


Viele Gleitschneelawinen aus südexponiertem Gelände oberhalb von Pill, Moos in Passeier. (Foto: Agentur für 

Auch in hohen, sonnenexponierten Lagen kann die Strahlung und Wärme die spontane Lawinenaktivität fördern, wie am vergangenen Wochenende in Prettau. 


Lawinenkegel der großen, spontan abgegangenen Lawine hinter Hl.Geist im Ahrntal. (Foto: Markus Bacher, 31.01.2021).


Vorschau aufs Wochenende

Am Wochenende dreht die Strömung auf Südwest. Das bedeutet trübes Wetter mit Niederschlägen am Sonntag. Die Schneefallgrenze liegt im Großteil des Landes zwischen 1000 m und 1500 m, teilweise kann sie auch bis auf 2000 m ansteigen, vor allem im Raum Dolomiten. Verbreitet fallen auf den Bergen im Zuge des Ereignisses 10 bis 20 cm Neuschnee, in den Südstaulagen auch deutlich mehr. 

Neuschneesumme für Südtirol bis Montag, 08.02.2021 um 7:00 Uhr. 

Der Wind weht auf den Bergen stark bis stürmisch aus südwestlicher Richtungen, wodurch neue Triebschneeansammlungen entstehen. Der Regeneintrag und die hohe Feuchtigkeit können besonders in mittleren Lagen zu Gleitschnee- und Nassschneelawinen führen.

Rückblick
Seit dem letzten Blogeintrag wurden uns mehrere Lawinenabgänge, zum Teil auch mit Personenbeteiligung gemeldet. Danke für die vielen Meldungen und Beobachtungen!
Am Samstag kam es unterhalb des Zintnocks – oberhalb von Ahornach im Gemeindegebiet von Sand in Taufers zu einem Lawinenunfall. Das Schneebrett löste sich in ca. 40 ° steilem südwest-exponierten Gelände auf 2480 m. Zwei Personen wurden von den Schneemassen mitgerissen. Das Profil, welches die Forststation Sand in Taufers im Anbruchgebiet erhoben hat, zeigt eine ausgeprägte Schicht aus Becherkristallen unterhalb einer Schmelzharschkruste.
Mittleres Schneebrett, (Größe 2) das auf dem schwachen Altschnee in ca. 40° steilem, ostexponierten Gelände abglitt. (Foto: Bergrettung Sand in Taufers, 30.02.2021)

Am 02.02.2021 wurde unterhalb des Gipfels der Plattenspitz (2669 m) – Vals- ein kleines Schneebrett ausgelöst. Dabei wurde aber keine Person mitgerissen. Ca. 20 Minuten später ging am gegenüberliegenden Sonnenhang eine spontane Lawine ab und verschüttete die Aufstiegsspur.


Ausgelöstes Schneebrett unterhalb der Plattenspitze- schwarz umrandet und das spontan abgegangene Schneebrett am Sonnenhang mit roter Umrandung. (Foto: Markus Pfeifer, 02.02.2021)


Einige Eindrücke von dieser Woche: 


Rutschblocktest unterhalb der Liflspitz – Schalders. Der Bruch konnte beim ersten Sprung von oben im Triebschnee erzeugt werden. (Foto: Forststation Brixen, 04.02.2021)


Kleines, spontan abgegangenes Schneebrett, das in den kleinen Schwarzsee oberhalb von Rabenstein vorstieß. (Foto: Agentur für Bevölkerungsschutz, 04.02.2021) 


Kleines Schneebrett, unterhalb der Pfinnscharte auf ca. 2300 m in ostexponiertem Gelände. (Foto: Lawinenwarndienst, 04.02.2021)