Aktuelle Situation samt Unfallanalysen und kurzer Ausblick

Außergewöhnliche Schneefälle, tiefe Temperaturen und vor allem viele Wintersportler im freien Gelände,- Zeit um einen kurzen Rückblick auf die Lawinenunfälle zu werfen.  Während in der Schweiz bereits jetzt überdurchschnittlich viele Lawinenunfälle und Lawinenopfer registriert wurden, sind die Unfallzahlen in Südtirol nicht außergewöhnlich für diese Zeit.  

In der heurigen Saison wurden uns bis zum heutigen Zeitpunkt acht Lawinenunfälle gemeldet. Als Lawinenunfall bezeichnet man ein Lawinenereignis, bei dem mindestens eine Person von den Schneemassen mitgerissen wird, unabhängig von den Folgen. Die registrierte Anzahl der Lawinenunfälle liegt wahrscheinlich unter der Realität, da Lawinenunfälle, welche glimpflich ausgehen, nur selten gemeldet werden.

Auflistung der bis jetzt gemeldeten Lawinenunfälle
in Südtirol. Die Tabelle bezieht sich auf das hydrologische Jahr, welches am 01. Oktober
beginnt und am 30. September des Folgejahres endet. Die Hangneigung und
Exposition beschreibt die Eigenschaften im Anrissgebiet der Lawine. Der
Lawinenunfall, der sich am 27.09.2020 an der Königspitze ereignet hat, zählt
noch zur Saison 19/20. 


Bis auf den tragischen Lawinenunfall Anfang Jänner, bei dem zwei Personen ihr Leben verloren, ging der Rest der Lawinenunfälle glimpflich aus. Insgesamt wurden bis jetzt 18 Personen von einer Lawine mitgerissen. Im langjährigen Mittel ereignen sich in Südtirol 17 Lawinenunfälle pro Winter, wobei durchschnittlich fünf Personen sterben. Im Nachbarland Tirol liegt das Mittel der Todesopfer bei 12 Personen, im Trentino bei drei Personen.   

Hauptursache der Lawinenunfälle waren Triebschnee und persistente Schwachschichten im oberen Teil der Schneedecke, wie eingeschneiter Oberflächenreif oder kantig aufgebaute Kristalle an Krusten, die sich während der Warmperiode um Weihnachten gebildet haben. Wie so oft bei schneereichen Wintern sind oberflächennahe Schichten verantwortlich für den Großteil der Lawinenunfälle.

Auch für die beiden Unfälle, die sich vergangenes Wochenende ereignet haben, waren oberflächennahen Schwachschichten in Verbindung mit Triebschnee verantwortlich. Die Lawinenunfälle ähnelten sich in vielerlei Hinsichten: Bei beiden Lawinen handelt es sich um ein mittleres Schneebrett (Größe 2), das sich im südexponierten Gelände auf einer Meereshöhe von 2250 m hinter einer Geländekante löste. 
Der erste Lawinenunfall ereignete sich am Samstag, 16.01.2021 unterhalb des Glurnser Köpfls. Das Schneebrett riss zwei Personen mit, beide Personen wurden nicht verschüttet und blieben unverletzt.  

Schneebrett oberhalb der Tschaggonhütte auf 2250 m im südexponierten Gelände mit einer Anrisskante von 20 cm bis 110 cm (Foto: Christoph Munter, 16.01.2021). 
 
Der zweite Lawinenunfall ereignete sich am Sonntag, 17.01.2021 unterhalb des Kasebacher Hörndls in Schalders, Gemeinde Vahrn. Das Schneebrett riss zwei Personen mit. Eine Person wurde komplett verschüttet, konnte aber durch eine schnelle Kameradenrettung nach ca. 10 Minuten leicht verletzt geborgen werden. 

Lawinenkegel der Unfalllawine unterhalb des 2578 m hohen Kasebacher Hörndls in Schalders (Foto: Lawinenwarndienst Südtirol, 18.01.2021).


Schneeprofil an der Unfalllawine Kasebacher Hörndl zeigt die markante Schwachschicht von kantig aufgebauten Kristallen und Becherkristallen unterhalb einer Schmelzharschkruste auf 49 cm. Beide Stabilitätstests zeigen eine Bruchfortpflanzung in dieser Schicht. 

Aktuelle Situation

Folgend noch einige Bilder und Bemerkungen zur momentanen Schnee- und Lawinenlage. Momentan liegt in ganz Südtirol mehr Schnee als im Durchschnitt.


Windfahnen an der Kolbenspitze in Passeiertal (Foto: LWD, 16.01.2021).
Mit freiem Auge erkennbare Schwachschicht aus eingeschneitem Oberflächenreif 40 cm unterhalb der Oberfläche in St. Gertraud, Ulten. Das dazugehörige Profil gibt es hier: Profil (Foto: Forststation Ulten, 21.01.2021)

Kleines Schneebrett, das oberhalb der Wasserfallalm in Ratschings von einer Person im 35° steilen nordostexponierten Gelände ausgelöst wurde. Hier geht’s zum dazugehörigen Profil. (Foto: Forststation Ratschings, 21.01.2021).


Vorschau auf das kommende Wochenende 
Die Südwestliche Anströmung bringt in der Nacht auf Samstag und Sonntag weitere Schneefälle. Verbreitet fallen bis am Sonntag weitere 20 cm – 30 cm Schnee. In den südlichen Landesteilen 30 cm – 50 cm und in den Dolomiten und entlang der Grenze zum Veneto lokal auch bis zu 80 cm. Im oberen Vinschgau fällt am wenigsten Schnee. Die Lawinengefahr steigt erneut deutlich an.   
Erwartete Schneemegen in den nächsten 48h für die Europaregion. 

Der Neuschnee kommt zum Teil auf lockere Schichten zu liegen oder auf eine stark vom Wind beeinflussten Oberfläche. Begleitet werden die Schneefälle von starkem Wind. Je stärker der Wind während des Schneefalls, desto dichter gepackt und damit bretterartiger wird die Neuschneeschicht. Mit den tiefen Temperaturen kann sich der Neu- und Triebschnee anfänglich nur schlecht mit dem Altschnee verbinden und ist somit störanfällig. Zudem findet man verbreitet Schwachsichten im oberen Teil der Schneedecke. Das Gewicht des Neuschnees kann diese Schichten belasten und dort zu Brüchen führen. Böschungsrutsche und spontane Lawinen sind zu erwarten, zum Teil auch große. Zudem können Gleitschneelawinen durch die Auflast erneut aktiviert werden. 
Die Verhältnisse bleiben weiterhin äußerst angespannt. Große Zurückhaltung und Vorsicht sind notwendig.