Das Jahr 2021 beginnt mit einer kritischen Lawinensituation

Schon am Nachmittag des ersten Jänners 2021 hat es verbreitet geschneit, die Schneefälle haben bis zum Abend des folgenden Tages angehalten. Dabei fielen meist zwischen 20 und 40 cm Schnee, in den östlichen Dolomiten aber auch bis zu 60 cm.

Daten der Schneemessstation Piz La Ila im Gadertal – zu bemerken gilt es hier, dass der Schneefall vom 2. Jänner (rosa Linie ganz oben in der Grafik) bei schwächerem Wind gefallen ist (vierte Zeile in der Grafik, rosa Linie kennzeichnet die Windböen, die grüne Linie den Mittelwind). Damit hat dieser Neuschnee in homogener Weise, die darunterliegende Schneedecke bedeckt. Die Folge ist, dass somit auch für das geschulte Auge alle Zeichen an der ursprünglichen Schneeoberfläche verdeckt sind.

Sperre des Fischleintals in der Gemeinde Sexten im Pustertal vom 2. Jänner 2021. (Foto: Joe Rainer)

Die schon heikle Lawinensituation am Ende des Jahres 2020 hat sich somit noch verschlechtert. Jetzt sind in ca. 40-50 cm Tiefe unterhalb der Schneeoberfläche heimtückische Schwachschichten versteckt, in der sich ein lokaler Initialbruch fortpflanzen kann und es somit zu einer Lawinenauslösung kommen kann, auch von großer Dimension. 

Diese Schwachschichten haben abhängig von Exposition und Höhenlage unterschiedliche Eigenschaften (grob zusammengefasst könnte man sagen, eingeschneiter Oberflächenreife in Nordhängen, kantige Kristalle unterhalb einer Kruste im südexponierten Gelände bis auf ca. 2400 m hinauf, Schwimmschnee im Kammbereich). Auf alle Fälle stellen diese Schwachschichten gefährliche Fallen dar, da sie versteckt und nicht sichtbar sind. Das Hauptlawinenproblem ist deshalb ganz klar das Altschneeproblem, das zusammen mit dem Triebschneeproblem für die meisten Lawinenunfälle verantwortlich ist.

Vom 3. Jänner weg haben wir beim Lawinenwarndienst immer wieder Meldungen von spontanen und ausgelösten Lawinen bekommen. In vielen Fällen hat es sich dabei auf die Meldung beschränkt ohne Meldungen von Sach- oder Personenschäden, in einem Fall ist das Ergebnis aber sehr tragisch.

Bei einem Lawinenunfall im Schnalstal am 3. Jänner kamen zwei Personen ums Leben. Dabei wird ein einheimisches Paar von einer Lawine verschüttet, die rasche Rettung blieb leider ohne Erfolg. Die Lawine ist einige hundert Meter über ihnen losgebrochen und hat sie in der Abfahrt, relativ weit entfernt vom Steilhang, überrascht. Beim Lokalaugenschein, der einen Tag nach dem Unfall durchgeführt wurde hat sich der schwache Schneedeckenaufbau im oberen Teil der Schneedecke bestätigt.

In rot ist die Unfalllawine, die die zwei Tourengeher unterhalb der Ostflanke der Kreuzspitze verschüttet hat eingezeichnet.(Foto: Lawinenwarndienst Südtirol, 04.01.2021)

Bei diesem Profil, das auf ca. der Hälfte der Sturzbahn neben der Lawine gemacht wurde sieht man die Verfestigung der Schneedecke bis ca. 40 cm unterhalb der Schneeoberfläche. Dort lagert dann aber eingeschneiter Oberflächenreif, der die denkbar ungünstigste Unterlage für die darüberliegenden Schneeschichten ist.


In der Folge Bilder zu den Meldungen der letzten Tage. Vielen Dank an alle für die wertvollen Rückmeldungen und Beobachtungen.

Von einem Skitourengeher ausgelöste Lawine in Gsies. (Foto: 04.01.2021)

Gadertal, Lawine möglicherweise auch von einem Skitourengeher ausgelöst! (Foto: Reinhard Senoner, 04.01.2021)

Lawine im Sarntal, von einem Skitourengeher in der Abfahrt ausgelöst. (Foto: 05.01.2021)

Ausgelöste Lawine im Wipptal. (Foto: Roberto De Simone, 05.01.2021)

Glimpflich ausgegangener Lawinenunfall im Ridnaun. (Foto: Dominik Trenkwalder, 04.01.2021)

Auch Gleitschneelawinen sind uns wieder gemeldet worden. (Foto: 04.01.2021, Lawinenkommission Abtei)

Wie im Titel vom Blog vom 30.12.2020 hat sich die Kombination aus Neuschnee, Triebschnee, tiefen Temperaturen und Schwachschichten im Inneren der Schneedecke als perfekter Mix für Lawinen erwiesen. 
Leider lassen die meteorologischen Bedingungen auch in den nächsten Tagen keine wesentliche Besserung der Situation zu, das heißt die Bedingungen für Wintersportler bleiben auch in den nächsten Tagen komplex und teils gefährlich.
Große Vorsicht bei Unternehmungen im winterlichen Gebirge ist deshalb angebracht, im Zweifel verzichten oder sich einem Bergführer anvertrauen.