Eine lawinenaktive Periode liegt hinter uns. Die Schneefälle der vergangenen Tage brachten in ganz Südtirol enorme Neuschneemengen. An vielen Stationen wurden neue Rekorde der 3-Tages-Neuschneesummen erzielt.
Die Niederschlagssummen über 96 h (04.12.2020 – 08.12.2020) zeigen die außergewöhnliche Niederschlagsmengen der vergangenen Tage.
Verbreitet fielen mehr als 100 mm Niederschlag, im hinteren Passeiertal sogar über 200 mm.
Unsere Beobachter aus dem Ultental und dem Passeiertal registrierten eine um das vierfach höhere Schneehöhe als im Durchschnitt für diesen Zeitraum.
Beobachterdaten aus dem Ultental (Weißbrunn) und dem Passeiertal (Pfelders). In pink die aktuell gemessene Schneehöhe. Die dunkelgraue Linie zeigt die durchschnittliche Schneehöhe für diesen Zeitraum an. Der hellgraue Bereich zeigt die maximal bzw. minimal gemessene Schneehöhe.
Die Schneefallgrenze pendelte im Verlauf des Niederschlagsereignisses zwischen 200m und 1800m. Während es am Freitagabend auch im Unterland und in Bozen Schneefall gab, stieg die Schneefallgrenze besonders am Samstag mit der Zufuhr von warmer Luft vorallem im Osten des Landes bis auf 1800 m. Vieler Orts fiel Regen auf die bestehende Schneedecke. Durch den Wassereintrag wurde die Schneedecke erwärmt und schwer. Gleitschneelawinen gingen in der Folge ab. An der Schneeoberfläche konnte man die typischen Abflussrillen beobachten. Rund um solche Regenkrusten können sich zeitverzögert Schwachschichten ausbilden.
Mit den außergewöhnlichen Neuschneemengen, dem Regen und dem teils stürmischen Wind stieg die Lawinengefahr rasch auf Stufe 4 an, teilweise auch auf Stufe 5.
An vielen Stationen wurden Windböen von über 100 km/h gemessen.
Messreihe am 2825m hoch gelegenen Schneemessfeld Madritsch in Sulden zeigt die stürmischen Südwinde, welche die Niederschläge begleiteten.
In Kammnähe verfrachtete der starke bis stürmische Wind den Neuschnee intensiv. Der rote Kreis markiert den bereits abgeblasenen Hangbereich der Hochwart oberhalb von Stuls in Passeier (Foto: 07.12.2020, Lawinenwarndienst Südtirol).
Zahlreiche Straßen wurden aufgrund der drohenden Lawinenabgänge, den enormen Scheeemassen und den umgestürzten Bäumen gesperrt. Die lawinenaktivste Zone lag in den typischen Südstaulagen Ulten-Passeier-Brenner und in den Dolomiten entlang der Grenze zum Trentino und Belluno.
Enorme Schneemengen auf der Straße von Platt nach Pfelders im hinteren Passeiertal. Vieler Orts sind die Aufräumarbeiten noch im Gange. Auch die Bäume weisen eindrücklich auf die große Schneelast hin (Foto: 09.12.2020, Lawinenkommission Pfelders).
Es wurden zahlreiche Lawinenabgänge, vor allem Gleitscheelawinen gemeldet. Aus dem Ulten- und Passeiertal sind teils größere Schäden an Gebäuden bekannt. Personen wurden keine verletzt. In den Hauptniederschlagsgebieten lösten sich spontan einige mittlere und vereinzelt auch große Schneebretter.
Einige Impressionen
Hofgruppe Zeppichel bei Pfelders. In rot das von der Lawine beschädigte Wohnhaus. Beim Erkundungsflug war durch die schlechte Sicht und die erneuten Schneefälle das genaue Anbruchgebiet nicht ersichtlich (Foto: 07.12.2020, Lawinenwarndienst Südtirol).
Mehrere Gleitschneelawine in reibungsarmen, steilen Wiesen in Prags (Foto: 06.12.2020, Erwin Steiner Lawinenkommission Prags).
Gleitschneelawinen in Tereneten (Fotos: 08.12.2020, Christian Neunhäuserer).
Ausblick auf die kommenden Tage
Das Wetter beruhigt sich, die mächtige Schneedecke setzt und verfestigt sich zusehends. In den neuschneereichen Gebieten sind Schwachschichten in der Neuschneedecke nur vereinzelt an schneearmen und windbeeinflussten Stellen störbar. Vorsicht gilt in den oberflächennahen Schichten. Der frische und ältere Triebschnee ist durch die kühlen Temperaturen noch spröde und leicht auslösbar. Mit der Drehung des Windes in den kommenden Tagen entstehen neue Triebschneesansammlungen.
Wie im gestrigen Blogbeitrag von Tirol erklärt, sollte man in den neuschneearmen Gebieten, auf das Altschneeproblem achten. Hier sind durch die geringeren Schneemengen Schwachschichten an der Grenze zwischen Neu- und Altschnee störbar. Das Altschneeproblem ist nur schwer einschätzbar und besonders heimtückisch.