Lawinenunfallanalyse Gaiskogel (27.01.2024)

Ein Lawinenunfall am Gaiskogel in der Region Kühtai-Geigenkamm forderte am 27.01.2024 ein Todesopfer. Unfallkausal war ein oberflächennahes Altschneeproblem samt kürzlich darüber abgelagertem Triebschnee.

Unfallhergang

Eine Skitourengeherin ging mit zwei weiteren Personen vom Skigebiet Kühtai aus auf den Gaiskogel (2820m) östlich der Dreiseenhütte. Am Gipfel angekommen, war die Skitourengeherin gerade im Begriff abzufellen. Sie steckte den ersten Ski in den Schnee, dieser Ski fiel aufgrund des böigen Windes um und verschwand in Richtung Südostflanke des Gaiskogels. Dies war eine andere Richtung, als die Abfahrt vorgesehen gewesen wäre. Einer der beiden Begleiter fuhr daraufhin zu dem etwa ca. 200m unterhalb des Gipfels liegenden Ski ab. Als diese Person wieder auffellen und aufsteigen wollte, fuhren auch die zwei weiteren Personen, die ursprünglich am Gipfel hätten warten wollen, in die extrem steile Südostflanke ein. Zunächst fuhr der Überlebende orographisch links ab, die Skitourengeherin querte etwas zeitverzögert mit nur einem Ski etwas weiter rechts in die Flanke. Als sie sich unterhalb der Gipfelwechte befand, löste sich eine Schneebrettlawine, von der sie erfasst wurde. Sie kam erst am Fuße der Flanke total verschüttet zu liegen. Sie erlitt tödliche Verletzungen als Folge des Absturzes durch felsdurchsetztes Steilgelände. Jene Person, die gerade wieder aufsteigen wollte, wurde ebenso von der Lawine erfasst, jedoch nur etwa 30 Meter mitgerissen. Sie blieb eben dort mit Verletzungen unbestimmten Grades liegen. Die verstorbene Skitourengeherin wurde im Zuge einer professionellen Suchaktion von Bergrettern gefunden und geborgen.

Schneedeckenanalyse

Wir haben am 28.01. sowohl am Lawinenanriss, als auch seitlich versetzt im ungestörten Gelände die Schneedecke untersucht. Es bestätigte sich das von uns angenommene, oberflächennahe Altschneeproblem: unterhalb eines ca. 50cm mächtigen Triebschneepakets fanden wir eine dünne Schmelzharschkruste. Darunter wiederum hatte sich eine dünne Schicht aus kantigen Kristallen ausgebildet. Diese kantige Schicht war die für die Schneebrettlawine bedeutsame Schwachschicht, welche sich Mitte Jänner entwickelt hatte. Unsere Stabilitätstests bestätigten, dass sowohl ein Bruch in dieser Schwachschicht initiiert werden konnte und sich dieser in weiterer Folge auch fortzupflanzen vermochte (beides zwingende Eigenschaften für den Abgang einer Schneebrettlawine.)

Der Pfeil zeigt auf die kantige Schwachschicht. Das Profil wurde seitlich versetzt der Lawine aufgenommen.
Profil beim orographisch rechten Lawinenanriss. Der Pfeil zeigt wiederum auf die relevante Schwachschicht.

Die Unfalllawine

Die Schneebrettlawine löste sich im extrem steilen Gelände (>40°) in einem Südosthang auf rund 2800m Seehöhe. Die Lawine war im Anrissbereich ca. 20m breit und wies eine Länge von 580m auf.

Schneebrettlawine Gaiskogel mit Anrissbereich, Sturzbahn und Ablagerungsbereich. (Foto: 28.01.2024 © LWD Tirol)
Übersichtsbild der Unfalllawine von unten: Die Sturzbahn der Schneebrettlawine führte durch extrem steiles, felsdurchsetztes Gelände. Der rote Kreis symbolisiert die Verschüttungsstelle. (Foto: 27.01.2024 © Alpinpolizei) – aktualisiert am 04.03.2024
Vom Gipfel führen die Spuren der Skitourengruppe in die Südostflanke. Blaue Pfeile zeigen auf die Abfahrtsspuren der Überlebenden, der rote Pfeil auf die Spur der tödlich verunglückten Person. (Foto: 28.01.2024 © LWD Tirol)
Orographisch rechter Teil des Lawinenanrisses mit Blick Richtung Gipfel. Der rote Pfeil führt in die Lawine hinein. Rechts versetzt die zwei Abfahrtsspuren (blaue Pfeile) (Foto: 28.01.2024 © LWD Tirol)
Blick auf die Lawinenablagerung. Rechts vorne im Bild eine Verflachung, in deren Nahbereich sich die zwei Überlebenden nach dem Lawinenabgang befanden. (Foto: 28.01.2024 © LWD Tirol)