Erster markanter Wintereinbruch – Vorsicht vor störanfälligen Triebschneepaketen in der Höhe

LVS an den Körper, Schaufel und Sonde in den Rucksack. Mit den ersten intensiven Schneefällen auf Tirols Bergen steigt auch die Lawinengefahr wieder an: Die Hauptgefahr geht von frischen Triebschneepaketen aus, welche teils kaum zu erkennen sind. Gefahrenstellen sind besonders an kammnahen, sehr steilen Hängen oberhalb rund 2600m anzutreffen und nehmen mit der Höhe zu. Mittelgroße Schneebrettlawinen sind möglich. Mit Sonneneinstrahlung sind am Samstag zudem kleine Lockerschneelawinen zu erwarten.

Wetterentwicklung der vergangenen Tage

Zwei markante Niederschlagsereignisse sorgten in den vergangenen Tagen für einen ersten Wintereinbruch in hohen und mittlere Lagen. In der Nacht auf Dienstag, 31.10. brachte zunächst eine Kaltfront aus Südwest bei stark sinkender Schneefallgrenze ergiebige Niederschlagsmengen. Es wurden v.a. entlang des Alpenhauptkamms sowie in Osttirol 60 bis 100mm, lokal auch mehr Niederschlag verzeichnet. Aufgrund der zu Niederschlagbeginn noch hohen Schneefallgrenze, schneite es zunächst nur oberhalb rund 2800m, im Laufe der Nacht sank die Schneefallgrenze allmählich bis unter die Waldgrenze herab.

Nach zwischenzeitlicher Wetterbesserung und etwas milderen Temperaturen am Mittwoch, gefolgt von (erneut) stürmischem Föhn an der Alpennordseite, erreichte uns am Donnerstagabend, 02.11. eine weitere markante Kaltfront. Zunächst regnete es auch hier bis über 2000m hinauf, in den Nachtstunden kühlte es jedoch erneut deutlich ab und es schneite z.T. bis in die Niederungen. Die Hauptniederschlagsgebiete lagen hierbei im Süden und Osten, wo erneut 50 bis 70mm Niederschlag verzeichnet wurden.

Abb. 1: Wetterentwicklung der vergangenen Woche an der automatischen Wetterstation in der Axamer Lizum: Die zwei Niederschlagsstaffeln in der Nacht auf Dienstag, 31.10. sowie in der Nacht auf Freitag, 03.11. sind gut zu erkennen. Die Temperaturen fielen während der Frontdurchgänge deutlich ab. Ersichtlich ist auch der Rückgang der Windgeschwindigkeiten mit dem Eintreffen der Fronten.
Abb. 2: 24h- Niederschlagssummen (in mm) der zwei Niederschlagereignisse von 30.10. auf 31.10 (links) sowie vom 02.11. auf 03.11. (rechts). In Summe am meisten Niederschlag wurde in Osttirol sowie entlang des Alpenhauptkamms verzeichnet (©Hydro Online).
Abb. 3: Am meisten Schnee liegt derzeit in den Hochlagen entlang des Alpenhauptkamms, wo ein Großteil des Niederschlages in fester Form abgelagert wurde. Hier sind recht verbreitet 50 bis 100cm Neuschnee gefallen.
Abb. 4: Erster Wintereinbruch in der Venedigergruppe. In der Zwischenzeit hat es hier erneut intensiv geschneit (Bild: Thomas Mariacher, 01.11.2023).
Abb. 5: Blick von der Bremerhütte (2413m) im Gschnitztal in Richtung Osten (Foto: foto-webcam.eu, 01.11.2023).
Abb. 6: Mächtiger Anraum an der Materialseilbahn der Erzherzog-Johann-Hütte (3454m) am Großglockner. Anraum wächst gegen den Wind und zeigt im Bild entsprechend in Richtung Süden. Rechts im Hintergrund erkennt man die durch den starken Südwind abgeblasenen Südhänge im Bereich der Zufahrtsstraße zur Franz-Josefs-Höhe (Foto: Peter Fuetsch, 01.11.2023).
Abb. 7: Höher gelegene Ortschaften wie St. Jakob in Defereggen wurden in der Nacht auf Freitag, 03.11. erstmals angezuckert (Foto: foto-webcam.eu; 03.11.2023).

Auswirkungen auf die Lawinengefahr

Mit Neuschnee, kalten Temperaturen und Wind haben sich kammnah sowie in Mulden und hinter Geländekanten frische Triebschneeansammlungen gebildet, welche an sehr steilen Hängen (>35 Grad) oberhalb von rund 2600m stellenweise störanfällig sind. Dies gilt insbesondere für die neuschneereichen Gebiete entlang des Alpenhauptkamms. Gefahrenstellen nehmen mit der Höhe zu, windabgewandte (v.a. nordseitige Bereiche) sind als ungünstiger zu beurteilen. Es sind kleine und vereinzelt mittelgroße Schneebrettlawinen möglich. Da mit Eintreffen der Kaltfront in der Nacht auf Freitag, 03.11. der Wind deutlich zurückgegangen ist, sind Triebschneeansammlungen oft überschneit und nicht als solche zu erkennen. Wer derzeit im Gelände unterwegs ist, sollte deshalb in den angesprochenen Höhen- und Expositionsbereichen zurückhaltend sein.

Vor allem am Samstag, 04.11. sind bei Sonneneinstrahlung kleine Lockerschneerutsche aus extrem steilem Gelände (>40 Grad) zu erwarten. Zudem sind kleine Gleitschneerutsche auf steilen Wiesenhängen möglich. Mit auflebendem Südföhn entstehen am Samstag im Tagesverlauf frische Triebschneeansammlungen. Diese sollten dann als solche erkennbar sein und möglichst umgangen werden.

Kurzer Ausblick

Am Samstag kommt es zwischenzeitlich zu einer Wetterbesserung, der Südföhn lebt allerdings im Tagesverlauf erneut auf und verfrachtet den Neuschnee intensiv. Dadurch bilden sich v.a. in den Hochlagen frische Triebschneeansammlungen. In der Nacht auf Sonntag, 05.11. kommt es mit einer Südanströmung erneut zu 10 bis 20mm Niederschlag, v.a. in den Stubaier und Zillertaler Alpen sowie in Osttirol. Es wird etwas milder, die Schneefallgrenze liegt zwischen 1500 und 1800m.

Bis Ende nächster Woche bleibt das Wetter unbeständig, nennenswerte Niederschlagsmengen sind jedoch vorerst nicht zu erwarten. Das wechselhafte Wetter bewirkt jedoch weiterhin die Bildung von frischen Triebschneepaketen, welche v.a. an sehr steilen Hängen in großen Höhen vorsichtig beurteilt werden sollten.

Abb. 8: Entwicklung der Gesamtschneehöhe in den zentralen Stubaier Alpen: nach dem Niederschlag in der Nacht auf Sonntag, 05.11. ist bis Ende der Woche kein nennenswerter Neuschneezuwachs mehr zu erwarten. Danach ist die weitere Entwicklung noch unsicher.