Stellenweises Altschneeproblem aufgrund von „kalt auf warm“ – Gefahrenstellen schwer zu erkennen!

Im vergangenen Blogeintrag haben wir auf ein mögliches Altschneeproblem aufgrund des Gefahrenmusters gm.4 „kalt auf warm“ hingewiesen. Weitere Schneedeckenuntersuchungen und Rückmeldungen von unseren Beobachtern bestätigen stellenweise eine gewisse Gefährdung. Das Gesamtbild ist noch etwas diffus.

Der Bogen spannt sich aktuell von Rückmeldungen über stabile Bedingungen, einer intensiven Befahrung sehr steilen Geländes bis zu besorgniserregenden Schneeprofilen bzw. Schneedeckenuntersuchungen und einzelnen oberflächennahen Schneebrettabgängen (sowohl spontan als auch von Wintersportlern ausgelöst).

Als mögliche Schwachschicht für Schneebrettlawinen dient ausschließlich eine kantige Schicht, die sich ab dem 15.04. im Bereich der vormals nassen bzw. feuchten Altschneeoberfläche gebildet hat.

Gefahrenbereiche

Wir grenzten im heutigen Lawinenreport (für den 26.04.) mögliche Gefahrenbereiche recht großflächig ein: Sehr steile Hänge, schattig zwischen etwa 2200m und 2800m, übrige Hangrichtungen beginnend von etwa 2200m aufwärts. Inzwischen hat uns eine weitere Rückmeldung aus der Gurgler Gruppe erreicht. Schattig wurden zwischen etwa 2700m und 3100m kantige Kristalle als mögliche Schwachschicht gefunden. Hingegen schritt heute am 25.04. sonnseitig die oberflächennahe Anfeuchtung der Schneedecke weiter voran, sodass die Gefährdung in Sonnenhängen relativ bald wieder abnehmen sollte. Vermehrt betroffen scheinen eher die südlicheren Regionen Tirols. Zumindest war es Osttirol, wo wir die verhältnismäßig schlechtesten Ergebnisse von Schneedeckenuntersuchungen hatten. (sh. dazu unser youtube-Video). Vom Karnischen Kamm wurden uns sogar oberflächennahe spontane Schneebrettlawinen gemeldet.

Massive Schicht aus kantigen Kristallen auf einer stabilen Schmelzharschkruste. An diesem Standort war das Brett oberhalb der Schwachschicht kaum ausgeprägt. 2800m, 35°, SW, Östliche Deferegger Alpen
Massive Schicht aus kantigen Kristallen auf einer stabilen Schmelzharschkruste. An diesem Standort war das Brett oberhalb der Schwachschicht kaum ausgeprägt. 2800m, 35°, SW, Östliche Deferegger Alpen
Ähnliches Bild im Nahbereich zu oberem Profil. Nordost, 32°, 2430m
Ähnliches Bild im Nahbereich zu oberem Profil. Nordost, 32°, 2430m
Schneedeckensimulation Sonnbergalm in der Gurgler Gruppe: Obere Darstellung zeigt ein Zeitprofil des Schneedeckenaufbaus, die untere Grafik mögliche Schwachschichten. Auf 2600m Nord hat sich lt. Modell eine oberflächennahe Schwachschicht auf einer Schmelzharschkruste gebildet.
Schneedeckensimulation Sonnbergalm in der Gurgler Gruppe: Obere Darstellung zeigt ein Zeitprofil des Schneedeckenaufbaus, die untere Grafik mögliche Schwachschichten. Auf 2600m Nord hat sich lt. Modell eine oberflächennahe Schwachschicht auf einer Schmelzharschkruste gebildet.

Weiterhin Lockerschnee- und Gleitschneelawinen

Mit den nun wieder steigenden Temperaturen und der zur Jahreszeit passenden intensiven (diffusen) Strahlung, werden oberflächennahe Schichten relativ rasch angefeuchtet. Da Neuschnee recht gut auf die erstmalige Durchfeuchtung bzw. Durchnässung reagiert, erwarten wir weiterhin Lockerschneelawinen aus extrem steilem Gelände. Bei massiverer Durchnässung können diese mittelgroß werden.

Lockerschneerutsche aus extrem steilem Gelände. Zentrale Stubaier Alpen (Foto: 24.04.2024 © LWD Tirol)
Lockerschneerutsche aus extrem steilem Gelände. Zentrale Stubaier Alpen (Foto: 24.04.2024 © LWD Tirol)
Lockerschneerutsche aus extrem steilem Gelände. Allgäuer Alpen (Foto: 24.04.2024, © Elisabeth Zangerl)

Insbesondere auf Grashängen, die vor Beginn der Kälteperiode schneefrei waren, werden – nach bereits vermehrten Abgängen von Gleitschneerutschen – weitere Gleitschneerutsche bzw. in den Hauptniederschlagsgebieten auch Gleitschneelawinen zu beobachten sein. Ebenso sind größere Gleitschneelawinen, bestehend aus der kompletten Winterschneedecke vereinzelt möglich.

Gleitschneerutsch auf einer bereits ausgeaperten Grasfläche (Foto: 24.04.2024, © LWD Tirol)

Abnehmende Schneequalität

Die Schneequalität ändert sich – der Jahreszeit entsprechend – sehr rasch. Dort, wo vor zwei Tagen noch perfekter Pulverschnee lag, findet man inzwischen meist schon Bruchharsch.

Schöne Abfahrtsspuren unterhalb des Hoadls in der Axamer Lizum in den Kalkkögeln (Foto: 25.04.2024, © Barbara Fink)
Schöne Abfahrtsspuren unterhalb des Hoadls in der Axamer Lizum in den Kalkkögeln (Foto: 25.04.2024, © Barbara Fink)
Eine mühsame Prozedur: Aufstollender Schnee aufgrund des Zusammenspiels von noch kaltem Pulverschnee und beginnender oberflächennaher Durchfeuchtung der Schneedecke (Foto: 24.04.2024, © Elisabeth Zangerl)
Eine mühsame Prozedur: Aufstollender Schnee aufgrund des Zusammenspiels von noch kaltem Pulverschnee und beginnender oberflächennaher Durchfeuchtung der Schneedecke (Foto: 24.04.2024, © Elisabeth Zangerl)

Stiebenden Pulver gibt es ab morgen, Freitag, 26.04. wohl nur mehr im hochalpinen, schattigen Gelände. Auch dieser Pulverschnee wird bald „einen Stich“ bekommen. Somit kommt die aktuelle Schneeoberfläche wohl auch kaum als mögliche Schwachschicht für die ab morgen, Freitag, 26.04. wieder vermehrt gebildeten Triebschneepakete in großen Höhen in Frage.