Alle Jahre wieder: pünktlich zum Winterstart wenden wir kurz den Kopf und blicken auf die vergangene Saison.
- Die Saison 2024/2025 reiht sich in die Top 10 der trockensten Winter seit dem Messbeginn 1858 ein (im Mittel ~ 28% Niederschlagsdefizit in Tirol).
- Herbstlicher Wintereinbruch Mitte September führt zu erstem Lawinenopfer der Saison.
- Weiße Weihnachten von den Bergen bis in Tallagen – große Schneemengen auf eine aufbauend umgewandelte Schneedecke führten zu hoher Lawinenaktivität.
- Auflebende Altschneeproblematik im Dezember und Jänner durch die schneereichen Events jeweils Ende des Monats.
- Jänner bis Mitte März sehr niederschlagsarm, hauptsächlich günstige Lawinenverhältnisse – allerdings mit wenig Schnee. Die Gefahr von Steinkontakt blieb den ganzen Winter ein Thema.
- Große Lawinengefahr (Gefahrenstufe 4) an nur 5 Tagen – eine Situation mit großer Lawinengefahr
Kräftiger Wintereinbruch Mitte September – hohe Gleitschneeaktivität

Der September war in ganz Österreich sehr niederschlagsreich, im Westen des Landes sogar der niederschlagreichste der Messgeschichte. Mitte des Monats kam es auf den Bergen zu einem frühen Wintereinbruch mit Neuschneemengen von lokal bis zu 150 cm auf dem noch warmen Untergrund. Dies führte zu einer erhöhten Gleit- und Lockerschneelawinenaktivität.
„Der Winter blieb, trotz einzelner Schneefälle, ungewöhnlich trocken: Tirol erlebte eine der niederschlagsärmsten Saisonen seit über 160 Jahren – Hochdrucklagen dominierten über Wochen und ließen Tirol vielerorts auf Schnee warten.„
Michael WINKLER
Gleitschneelawinen benötigen als Grundvoraussetzung steiles Gelände, einen glatten Untergrund und eine feuchte bzw. nasse Schneeschicht direkt angrenzend an den Boden. Durch den Wasserfilm am Boden vermindert sich die Reibung, wodurch die Wahrscheinlichkeit eines Gleitschneeabgangs erhöht ist. Der Starkschneefall Mitte September begünstigte manche dieser Voraussetzungen: viel Neuschnee lagerte sich auf dem noch warmen Boden ab, langes Gras reduzierte mitunter die Oberflächenrauigkeit des Geländes. Die in der Folge hohe Gleitschneeaktivität forderte in Tirol den ersten tödlichen Lawinenunfall der noch jungen Saison. Eine Wandergruppe wurde im Abstieg von der Binsalm im Karwendel von einer Gleitschneelawine überrascht – eine Person verlor dabei ihr Leben.


Gleichfalls im Nachgang der Starkschneefälle ereignete sich am Bärenkopf (1991 m) im Östlichen Karwendel ein weiterer Unfall als Folge einer spontanen Gleitschneelawine. Zwei Personen wurden dabei von der Lawine erfasst, etwa 10 bis 15 Meter mitgerissen und teilverschüttet. Sie blieben unverletzt. Interessant dabei: Bei der Unfalllokalität handelte es sich um denselben Hang, wo am 09. April 2024 – also gegen Ende der vorangegangenen Saison – ebenfalls eine Gruppe von Wanderern von einer Gleitschneelawine erfasst wurden. Zwei Personen wurden damals mitgerissen, eine Person konnte nur noch tot geborgen werden. Da der Prozess des Schneegleitens stark von Geländeform und Oberflächenbeschaffenheit abhängt, treten Gleitschneelawinen auch immer wieder an denselben Orten auf – entsprechend können in Zeiten hoher Gleitschneeaktivität solche Bereiche auch gezielt gemieden und so das Risiko reduziert werden.
Wie der Herbst – so der Winter: Mild, sonnig und niederschlagsarm
Nach dem frühen, intensiven Wintereinbruch Mitte September ging es sehr trocken durch den restlichen Herbst. Der Oktober und November zeigten sich von ihrer milden Seite und waren geprägt von zahlreichen Schönwetterperioden. Der gefallene Schnee schmolz rasch wieder dahin, sodass Anfang Dezember nur mehr in sehr hohen, schattseitigen Lagen eine zusammenhängende Schneedecke anzutreffen war.

An den Stationen der langjährigen Beobachter zeigten sich meist (deutlich) unterdurchschnittliche Schneehöhen, teils nur knapp über dem jeweiligen Minimalwert. Besonders auffällig war die Situation an sonnseitigen Hängen, wo lange Zeit überhaupt kein Schnee lag – ein Zustand, der sich über den gesamten Winter kaum veränderte. Ein Plus von 15 % an Sonnenstunden im Vergleich zum langjährigen Durchschnitt sowie die milden Temperaturen während des gesamten Winters trugen maßgeblich zur Schneearmut bei – insbesondere an Sonnenhängen. Die allgemein sehr geringe Schneemächtigkeit führte zudem dazu, dass die Verletzungsgefahr durch Steinkontakt während der gesamten Saison ein zentrales Thema blieb.
In Summe kann der Winter 2024/25 als mild – mit einer durchschnittlichen Abweichung von +1,4 °C – und sehr niederschlagsarm beschrieben werden. In Tirol lag das Niederschlagsdefizit bei rund 28 %. Für gesamt Österreich zählt der Winter 2024/25 zu den zehn trockensten Wintern seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahr 1858. „Sehr oft gab es in diesem Winter Hochdruckwetterlagen, die Tiefdruckgebiete in den Norden oder Süden Europas ablenkten“, sagt Alexander Orlik von der GeoSphere Austria. Im Mittel (Periode 1991 bis 2020) gibt es in Innsbruck etwa 18 Tage mit Schneebedeckung, im Jänner 2025 waren es nur sechs. In Lagen ab 1000 m Seehöhe waren die Neuschneemengen im Mittel zwischen 10 und 70% unter dem vieljährigen Mittel. Ein neuer Rekord wurde allerdings bei den Sonnenstunden aufgestellt: im Bergland konnte punktuell eine Zunahme von 40-50% an Sonnenstunden verzeichnet werden.
Die milden Temperaturen hatten auch zur Folge, dass es in nahezu allen Wintermonaten bis und knapp über 2000 m hinauf regnete. Ein Phänomen, welches bereits seit Jahren immer häufiger zu beobachten ist. Unterhalb der Waldgrenze blieben die Schneehöhen infolgedessen über den gesamten Winter hinweg klar unter dem Durchschnitt.

Schwachschichten im Frühwinter: der Nährboden für das Altschneeproblem

Nach den milden und trockenen Herbstmonaten kam es ab dem 5. Dezember 2024 wieder zu einem bedeutenden Schneefallereignis. Dieses Datum kennzeichnete auch den Start der täglichen Erstellung des Lawinenreports. Aufgrund der aber noch geringen Schneehöhen bzw. der oft nicht zusammenhängenden Schneedecke waren die Tourenmöglichkeiten sehr eingeschränkt. Auch die Rückmeldungen aus dem Gelände hielten sich in Grenzen.
Wenig Schnee und trockene Bedingungen zu Winterbeginn fördern die aufbauende Umwandlung: Dabei entstehen kantige Kristalle an der Schneedeckenbasis – eine persistente, also langlebige, Schwachschicht, welche für das Altschneeproblem zentral ist. Für die Auslösung von Schneebrettlawinen braucht es jedoch nicht nur eine Schwachschicht, sondern auch ein darüber liegendes, gebundenes Schneebrett. Dieses war bis Mitte Dezember zunächst nur stellenweise vorhanden – und zwar dort, wo Wind Triebschnee auf der bodennahen Schwachschicht abgelagert hatte. Genau diese Konstellation war ursächlich für die wenigen Lawinenabgänge in diesem Zeitraum.
Weiße Weihnachten und der erste Lawinenzyklus des Winter

„Weiße Weihnachten von den Bergen bis in Tallagen – große Schneemengen fielen auf eine aufbauend umgewandelte Schneedecke und führten zu hoher Lawinenaktivität.„
Matthias WALCHER
Zwischen dem 19. und 25. Dezember kam es schließlich zu recht ergiebigen Schneefällen, die ihren Höhepunkt rund um Weihnachten erreichten. Die anschließenden Feiertage präsentierten sich in weiten Teilen Tirols tief winterlich: Von den Bergen bis in die Täler lag Schnee, vielerorts erstmals ausreichend für Skitouren und Variantenabfahrten. Dazu gesellte sich strahlender Sonnenschein von einem makellosen Himmel.

Die Kehrseite des Idylls lag jedoch in der Schneedecke begraben: Durch den zögerlichen Winterstart sowie wiederholter Regenereignisse bis in hohe Lagen – besonders hervorzuheben ist dabei der 16. Dezember – kam es dazu, dass sich die Schneedecke in allen Hangrichtungen aufbauend umgewandelt hatte und mehrere mögliche persistenten Schwachschichten (kantige Kristalle, Oberflächenreif, Schwimmschnee) aufwies.

Aufgrund der etwas mächtigeren Schneedecke in den nördlichen Landesteilen war dort der Aufbau an der Schneedeckenbasis etwas günstiger. Südlich des Inns – von den Ötztaler Alpen bis zu den Tuxer und Zillertaler Alpen – zeigte sich der Schneedeckenaufbau hingegen deutlich schlechter. Mit den weihnachtlichen Schneefällen, welche von Wind begleitet wurden, bildete sich auf der bereits bestehenden Schwachschicht nun recht verbreitet ein gebundenes Schneebrett, welches leicht ausgelöst werden konnte.
Erstmals in der Saison wurde daher in Teilen Tirols Lawinenwarnstufe „Groß“ (4) ausgegeben. Am 25. Und 26. Dezember kam es zum ersten Lawinenzyklus, in dessen Verlauf 14 durch Personen ausgelöste Lawinen gemeldet wurden. In diese Periode fällt auch ein tödlicher Lawinenunfall am Rosskopf in den Östlichen Tuxer Alpen.

Unfallträchtige Situation Ende Jänner
Nach einer langen Schönwetter- und Trockenphase mit sehr wenig Niederschlag setzte ab dem 27. Jänner ein neuerlich markanter Wintereinbruch ein. Eine Südweststaulage brachte teils große Neuschneemengen mit sich. Neu- und Triebschnee lagerten sich dabei insbesondere an West-, Nord- und Osthängen auf eine schwache Altschneedecke ab.
Vor allem im Bereich der Waldgrenze zwischen etwa 1800 m bis 2200 m war die Schneeoberfläche kantig aufgebaut und relativ gleichmäßig verteilt. Mitunter gab es gebietsweise bis gegen 2400 m hinauf dünne Krusten im Bereich der Schneeoberfläche, an welchen sich kantige Kristalle ausgebildet haben. Besonders in diesem Höhen- und Expositionsbereich waren Schwachschichten also mitunter recht großflächig vorhanden.
Am Vormittag des 28. Jänner regnete es zunächst häufig noch bis etwa 1500 m und 2200 m hinauf, begleitet von starkem bis stürmischem Südwestwind. Im Tagesverlauf sank die Schneefallgrenze – je nach Niederschlagsintensität – meist bis etwa 1000 m, zum Teil auch noch tiefer. In Summe fielen im Westen Tirols, entlang des Alpenhauptkammes und in Osttirol zwischen 30 und 50 cm, lokal sogar bis zu 70 cm Neuschnee.
Die Kombination aus starkem Schneefall, starkem Wind und anfangs wärmeren Temperaturen führte zu einer sehr guten Bindung des neu gebildeten Schneebretts. Dieses lagerte sich auf persistenten Schwachschichten ab, was ein ausgeprägtes Altschneeproblem zur Folge hatte. Bereits am Nachmittag des 28. Jänner wurde daher in weiten Teilen Tirols die Gefahrenstufe „Groß“ (4) ausgegeben.

Die Aktivität von spontanen Lawinen erreichte zwischen den späten Vormittag und dem späten Nachmittag des 28. Jänner ihren Höhepunkt. In diesem Zeitraum wurden Rekordwerte bei der 6 Stunden- Niederschlagsintensität für das Winterhalbjahr (November bis April) gemessen. Diese recht abrupte Zusatzbelastung durch den Neu- und Triebschnee überstieg die Festigkeit der Schwachschichten, was zu zahlreichen spontanen Lawinenabgängen führte. Es wurden zahlreiche mittelgroße, mehrfach auch große Schneebrettlawinen gemeldet. In diesen Stunden ereignete sich auch ein Lawinenunfall im Bereich der Baustelle für das neue Kraftwerk Längental in Kühtai: Im Bereich des Zwölferkogels löste sich an einem Nordwesthang auf etwa 2500 m eine spontane Lockerschnee- oder Schneebrettlawine und erfasste ein Baustellenfahrzeug. Die Insassen wurden leicht verletzt, das Fahrzeug erlitt einen Totalschaden.
Gegen Ende der Niederschläge ließ der Wind deutlich nach und die Temperaturen gingen zurück. Dadurch lag an der Schneeoberfläche häufig Pulverschnee, was potenzielle Gefahrenstellen für Wintersportler schwer erkennbar machte. Abgesehen von eindeutigen Alarmzeichen wie Rissbildungen, Setzungsgeräuschen oder frischen Lawinen gab es oft keine äußerlich sichtbaren Hinweise auf die vorhandene Lawinengefahr.
Am 29. Jänner wurden insgesamt 14 Lawinenereignisse mit Personenbeteiligung gemeldet. Die Lawinensituation besserte sich in weiterer Folge nur allmählich; erst am 30. Jänner wurde die Gefahrenstufe auf „Erheblich“ (3) zurückgestuft

Großteils günstige Verhältnisse im Februar bis Mitte März


„Die dauerhaft geringe Schneehöhe führte während der gesamten Saison dazu, dass die Gefahr von Verletzungen durch Steinkontakt ein konstantes Thema blieb.„
Christoph MITTERER
Nach den Schneefällen Ende Jänner und der damit verbundenen kurzfristigen Zunahme der Lawinengefahr – eine der wenigen Phasen mit Lawinenwarnstufe „Groß“ (4) in diesem Winter – stellten sich in Tirol allgemein günstige Verhältnisse ein. Im Zeitraum vom 03. Februar bis zum 13. März, also über mehr als fünf Wochen hinweg, wurden ausschließlich die Lawinenwarnstufen „Gering“ (1) und „Mäßig“ (2) ausgegeben, eine für den Hochwinter außergewöhnlich stabile Phase. Ende Februar wurden zudem erstmals in dieser Saison Temperaturen über 0 °C in Höhenlagen über 3000 m gemessen.
Verpasste Gefahrenstufe „Groß“ (4) während des Niederschlagereignisses Mitte März
Die Lawinenwarnstufe „Groß“ (4) wurde im Winter 2024/25 nur an insgesamt 5 Tagen in Teilen Tirols ausgegeben. Eine weitere kritische Phase mit intensiver Lawinenaktivität wurde hingegen nicht korrekt erfasst – sie blieb im Vorfeld aufgrund einer überraschend hohen Schneefallgrenze schwer abschätzbar.

Zwischen dem 12. und 16. März sorgte ein Frontensystem über Italien für ergiebige Niederschlagsmengen (40-70 mm), insbesondere südlich des Alpenhauptkammes. Der Wind war während des Ereignisses meist nur schwach bis mäßig, auffallend war jedoch die stark schwankende und deutlich von den Prognosen abweichende Schneefallgrenze. So wurde für den Zeitraum in Osttirol eine Schneefallgrenze von 1000 bis 1300 m vorhergesagt. Die aus Daten automatischer Wetterstationen abgeleitete trockene Schneefallgrenze zeigt jedoch für die Östlichen Deferegger Alpen zeitweise Regeneintrag bis rund 2500 m – also etwa 800 Höhenmeter über der prognostizierten Nullgradgrenze. Diese Beobachtung wurde durch Rückmeldungen unserer Beobachter bestätigt.

Der damit verbundene Wärmeeintrag in die Schneedecke begünstigte eine besonders gute Ausbildung des Schneebretts, welches an Schattenhängen auf einer schwachen, kantig aufgebauten Altschneeoberfläche abgelagert wurde. Dies resultierte in einer sehr hohen Aktivität von spontanen Schneebrettlawinen, welche auch Größe 3 (große Lawine) erreichten. Die Spitzen dieser Lawinenaktivität konnten wir in Osttirol dank zahlreicher Rückmeldungen unserer Beobachter in den Nachmittagsstunden des 15. und 16. März verorten. Am Samstag, 15. März wurden insgesamt 7 Lawinen mit Personenbeteiligung gemeldet. In der nachträglichen Analyse stellte sich heraus, dass es sich hierbei um eine der lawinenaktivsten Phasen des gesamten Winters handelte.
„Nur an wenigen Tagen herrschte in Tirol Lawinenwarnstufe 4 – großflächige Gefahrenlagen mit großer Lawinengefahr blieben die Ausnahme. Zu einer Fehleinschätzung und damit einer verpassten großen Lawinengefahr kam es aufgrund der unerwartet hohen Schneefallgrenze Mitte März.„
Norbert LANZANASTO
Erst nach Ende der Niederschläge und mit dem Austrocknen der Luft zeigte sich das gesamte Ausmaß der Lawinenaktivität während der Phasen markanter Erwärmung. Zahlreiche spontane Schneebrettlawinen waren besonders an sehr steilen Schattenhängen zwischen rund 2200 und 2500 m auszumachen. Die in diesem Zeitraum ausgegebene Gefahrenstufe „Erheblich“ (3) stellte sich im Nachhinein als zu niedrig heraus und hätte mit Hinblick auf das Ausmaß der Lawinenaktivität mit Gefahrenstufe „Groß“ (4) beurteilt werden müssen. Die unerwartet hohe Schneefallgrenze, welche zeitweise bis auf rund 2500 m anstieg, war ein zentraler Faktor für die Fehleinschätzung.

Durch die ausgeprägte Brettbildung und die damit verbundenen zahlreichen Lawinenabgänge kam es bereits während des Ereignisses zu einer spontanen Entladung vieler Steilhänge, was die Situation für Wintersportler in den Folgetagen etwas entschärfte.
Insgesamt ließ sich das anhaltende Altschneeproblem in Osttirol nach der reaktiven Phase während des Ereignisses treffend mit „low probability – high consequence“ beschreiben: Gefahrenstellen für Lawinenauslösungen waren eher selten, aber wenn eine Auslösung provoziert wurde, kam es teils zu gefährlich großen Schneebrettlawinen. Die Gefahrenstellen lagen vor allem an steilen Schattenhängen oberhalb von 2200 m und waren auch für Geübte schwer zu erkennen oder zu erspüren – die über dem Altschnee abgelagerte Schneedecke fühlte sich stabil an und war nach unten hin zunehmend hart. Eine defensive, bewusste Geländewahl war daher die einzige verlässliche Strategie zur Risikominimierung.
Erneute Verschärfung durch Neuschnee und Wind Ende März
Nach der Phase ausgeprägter Lawinenaktivität Mitte März in Osttirol kam es am 31. März zu einer weiteren markanten Verschärfung der Lawinensituation: Ergiebige Neuschneemengen und stürmischer Nordwestwind führten im Osten Nordtirols und im Speziellen am östlichen Alpenhauptkamm zu einem erneuten Anstieg der Lawinengefahr auf Stufe „Groß“ (4).
Wie bereits bei den früheren ausgeprägten Gefahrensituationen im Winterverlauf war auch hier erneut der schwache bodennahe Aufbau der Schneedecke die Hauptursache.
Zudem sorgten innerhalb des Neu- und Triebschneepaketes gebietsweise markante Graupeleinlagerungen für eine kurzlebige aber lokal sehr reaktive Schwachschicht. Da während des Ereignisses am Sonntag, 30. März ein Zwischenhoch im Wettergeschehen mitmischte, bildete sich an der Schneeoberfläche stellenweise eine dünne Schmelzharschkruste, welche den zuvor oberflächennahen Graupel konservierte und so dessen Gefährdungspotenzial zeitlich etwas verlängerte.

An hochalpinen Sonnenhängen bildeten sich zusätzlich – begünstigt durch den raschen Temperatursturz während des Frontdurchgangs – etwas zeitversetzt oberflächennah eine Schwachschicht aus kantigen Kristallen nach dem Gefahrenmuster „kalt auf warm“.

Diese komplexe Ausgangslage mit mehreren reaktiven Schwachschichten führte letzten Endes zu erhöhter spontaner Lawinenaktivität während des Ereignisses selbst sowie – wie für Altschneeprobleme üblich – einer nur langsamen Besserung mit gelegentlichen Personenauslösungen in den Folgetagen. Bereits am 30. März wurden 11 Lawinenereignisse mit Personenbeteiligung gemeldet. In den Folgetagen nahm die Anzahl der gemeldeten Lawinen mit Personenbeteiligung ab und es wurden uns vom 01. bis zum 03. April insgesamt 7 Lawinenabgänge gemeldet.

In tieferen Lagen wurde der Neuschnee zudem oft auf bereits aperem Boden abgelagert. Eine erhöhte Gleitschneeaktivität war die Folge.

Nassschneezyklus

In der Wintersaison 2024/25 traten mehrere Nassschneezyklen auf, die vor allem den späteren Winter prägten. Alle fünf Hauptzyklen ereigneten sich ab März, wobei der erste Zyklus direkt zu Monatsbeginn einsetzte. Zwischen dem zweiten Zyklus Mitte März und dem dritten Zyklus Anfang April kam es zu einer kurzen Schneefallperiode. Der vierte Zyklus setzte Mitte April bereits vor Ostern ein und hielt sich bis Anfang Mai. Der letzte Zyklus, welcher erstmalig zu einer kompletten Durchfeuchtung der Schneedecke in allen Expositionen führte, begann Anfang Juni.
04.-12. März 2025: „Die Erste“
Zwischen dem 04. und 09. März dominierte Hochdruckwetter mit trockener Luft und vielen Sonnenstunden. Die Ausaperung hing stark von Sonneneinstrahlung, Exposition und Hangneigung ab. An Sonnenhängen nahm im Tagesverlauf die Auslösebereitschaft für meist kleine nasse Lockerschneelawinen zu, besonders im Südsektor (SO–S–SW), wo die Schneedecke bereits isotherm war. An steilen Südhängen war die Schneeschmelze teils weit fortgeschritten, wodurch Gefahrenstellen seltener wurden. Gleichzeitig kam es dort durch Wassereintrag zu erhöhter Gleitaktivität auf glatten Untergründen.

Ein markanter Wetterumschwung am 10. März brachte Regen bis knapp 2000 m. Die dadurch bedingte Durchfeuchtung führte zu Festigkeitsverlusten in der Schneedecke, vermehrten nassen Lockerschneelawinen – oft von Wintersportlern ausgelöst – und erhöhter Gleitaktivität.

18.03. – 29. März 2025: „Die Zweite“
Ab dem 18. März führten milde Temperaturen und intensive Sonneneinstrahlung zu einer fortschreitenden Durchfeuchtung der Schneedecke. Ein Hochdruckgebiet über Mitteleuropa sorgte für strahlendes Wetter und eine Nullgradgrenze über 3000 m, wodurch die Schneedecke deutlich an Festigkeit verlor. Es kam vermehrt zu nassen Lockerschneelawinen und Gleitschneelawinen.

Ab dem 21. März sorgten Südföhn, Tiefdruckeinfluss und starke Bewölkung für diffuse Strahlung, wodurch die nächtliche Abkühlung gehemmt wurde. Ab dem 23. März folgte eine Niederschlagsphase mit feuchtwarmer Luft, Schauern und anhaltend diffuser Einstrahlung – klassisches „Waschkuchlwetter“. Bis zum 27. März war die Schneedecke in allen Expositionen unterhalb ca. 2200 m vollständig durchfeuchtet (isotherm). Ein kurzes Zwischenhoch brachte nochmals steigende Temperaturen, ehe am 29. März eine Nordstaulage mit kälterer Luft und Schneefall einsetzte.

03.– 05. April 2025: „Die Dritte“
Nach einer kurzen Neuschneeperiode setzte ab dem 03.04.2025 erneut sonniges Frühlingswetter ein. Die Schneedecke setzte sich zunächst, klare Nächte ermöglichten eine gute nächtliche Abstrahlung. Tagsüber weichte der Schmelzharschdeckel zunehmend auf, was zu einer weiteren Durchfeuchtung und Festigkeitsabnahme führte. Die Auslösewahrscheinlichkeit von Nassschneelawinen stieg insbesondere an sehr steilen Süd- und Westhängen. Die Phase anhaltend hoher Temperaturen markierte einen dritten, wenn auch kurzen Nassschneezyklus bis einschließlich 05.04.2025.

Ab 12. April 2025: „Die Vierte“

Ein stabiles Hoch über Tirol begünstigte die fortschreitende Durchfeuchtung der Schneedecke. Trotz klarer Nächte mit teils guter Ausstrahlung sorgten die hohen Temperaturen für einen Verlust an Festigkeit. Frühzeitige Tourenplanung war entscheidend, da selbst kleine Wetterumschwünge – typisch für das Frühjahr – die Lawinengefahr deutlich beeinflussten.
Ab dem 13. April führten milde, feuchte Luftmassen und Föhn zu wechselhaftem „Waschkuchlwetter“. Lokale Schauer beschleunigten die Durchfeuchtung. In der Folge kam es zu zahlreichen nassen Lockerschneelawinen, vor allem an W-, N- und O-Hängen bis ca. 2400 m, insbesondere südlich des Inns.
Ein Genuatief brachte ab dem 16. April intensiven Niederschlag, gebietsweise Regen bis über 2800 m.
Der kombinierte Energieeintrag durch Regen, diffuse Strahlung und hohe Luftfeuchtigkeit führte zu einer weiteren Durchfeuchtung – auch in schattseitigem Steilgelände. Nasse Schneebrett- und Gleitschneelawinen traten vermehrt auf. Die vollständige Durchfeuchtung der Schneedecke reichte in allen Expositionen bis zumindest 2200 m hinauf. Das Nassschneeproblem blieb auch nach Ostern bei anhaltend mildem, wechselhaftem Wetter bestimmend.

Große, vereinzelt sehr große spontane Schneebrettlawinen Anfang Juni
Nach einem insgesamt kühlen und nassen Mai stiegen die Lufttemperaturen in der ersten Juniwoche im Hochgebirge tagsüber leicht über die 0 °C – Marke. Ab Sonntag, 9. Juni erfolgte dann ein deutlicher Temperaturanstieg. Dadurch wurde die Schneedecke in hochalpinen Nordhängen erstmals bis zum Boden durchnässt und eine dort befindliche, kantig aufgebaute Schwachschicht aus dem Frühwinter geschwächt. Dies führte in Folge zu vereinzelt sehr großen spontanen Schneebrettabgänge.
