Auch von einem gebundenen Brett überlagerter, lockerer Neuschnee stellt eine mögliche (kurzlebige) Schwachschicht für Schneebrettlawinen dar (©Christoph Pfeifer, 01.04.2025).

Erhebliche Lawinengefahr in weiten Teilen Tirols

In den vergangenen Tagen hat es besonders im Norden und Osten des Landes viel geschneit. Der Niederschlag wurde dabei zeitweise von stürmischen Winden begleitet. Mit Hochdruck beruhigt sich das Wetter fortan, ab Mittwoch setzt sich verbreitet sonniges und ruhiges Wetter durch. Die Lawinensituation bessert sich jedoch nur langsam: einzelne Personen können stellenweise leicht Schneebrettlawinen auslösen, vereinzelt auch große. Solche Gefahrenstellen sind besonders in den neuschneereicheren Gebieten schwer zu erkennen. Zudem sind mit der Sonneneinstrahlung zahlreiche Lockerschneelawinen aus extrem steilen Gelände zu erwarten. Und auch die Gleitaktivität an steilen Grashängen nimmt wieder etwas zu. Die Situation erfordert also eine geschickte Geländewahl und Zurückhaltung.

Ergiebige Neuschneemengen und stürmischer Nordwestwind

Mit einer Nord- bis Nordwestströmung wurden seit Freitag, 28.03. feuchte Luftmassen an die Berge Tirols herangeführt, welche besonders in den nördlichen und östlichen Landesteilen für ergiebigen Neuschneezuwachs sorgten. Der Niederschlag wurde zeitweise von stark bis stürmischen Wind aus nördlichen Richtungen begleitet. Die Schneefallgrenze bewegte sich anfänglich bei rund 2000m, fiel aber rasch in tiefe bis mittlere Lagen ab.

72h- Schneedifferenz (inkl. Setzung) von Samstag, 29.03. bis inklusive Montag, 31.03. Im Nordstau zwischen den östlichen Lechtaler Alpen und dem Wilden Kaiser, sowie im Osten Nordtirols und den Hohen Tauern kamen über 50cm Neuschnee hinzu.
72h- Schneedifferenz (inkl. Setzung) von Samstag, 29.03. bis inklusive Montag, 31.03. Im Nordstau zwischen den östlichen Lechtaler Alpen und dem Wilden Kaiser, sowie im Osten Nordtirols und den Hohen Tauern kamen über 50cm Neuschnee hinzu.
Auch die Wetterstation Sonntagsköpfl in den Östlichen Tuxer Alpen verzeichnete in der vergangenen Woche einen Neuschneezuwachs von rund 40cm. Auffallend ist der starke Wind, welcher das Niederschlagsereignis begleitete. Dieser hat seit Dienstagmorgen deutlich an Stärke verloren.
Auch die Wetterstation Sonntagsköpfl in den Östlichen Tuxer Alpen verzeichnete in der vergangenen Woche einen Neuschneezuwachs von rund 40cm. Auffallend ist der starke Wind, welcher das Niederschlagsereignis begleitete. Dieser hat seit Dienstagmorgen deutlich an Stärke verloren.
Besonders in den Nachtstunden auf Montag, 31.03. wehte der Wind auf den Bergen teils stürmisch und verfrachtete den Neuschnee umfangreich.
Besonders in den Nachtstunden auf Montag, 31.03. wehte der Wind auf den Bergen teils stürmisch und verfrachtete den Neuschnee umfangreich.
Windzeichen an den westlichen Abhängen des Linken Fernerkogels (3277m; ©Marvin Kärle, 30.03.2025).
Windzeichen an den westlichen Abhängen des Linken Fernerkogels (3277m; ©Marvin Kärle, 30.03.2025).
Modellierte trockene Schneefallgrenze anhand von Wetterstationsdaten in den westlichen Tuxer Alpen: Der Niederschlag setze am Freitagabend, 29.03. bei einer Schneefallgrenze von rund 2000m ein. In der Nacht auf Dienstag, 01.04. schneite es bis in tiefe Lagen, sodass auch höhergelegene Tallagen im weißen Kleid erwachten.
Modellierte trockene Schneefallgrenze anhand von Wetterstationsdaten in den Westlichen Tuxer Alpen: Der Niederschlag setze am Freitagabend, 29.03. bei einer Schneefallgrenze von rund 2000m ein. In der Nacht auf Dienstag, 01.04. schneite es bis in tiefe Lagen, so dass höhergelegene Tallagen im weißen Kleid erwachten.

Schwachschichten in Neu- und Altschnee

Persistente – langlebige Schwachschichten

Der viele Neuschnee wurde besonders südlich des Inns auf eine geringmächtige und teils ungünstig aufgebaute Altschneedecke abgelagert. Diese wurde während langer Hochdruckphasen während des Winters v.a. an Schattenhängen oberhalb rund 2200m aufbauend umgewandelt. Besonders an wenig befahrenen Hängen finden sich dort Schwachschichten in Form von kantigen Kristallen, welche mitunter zwischen Krusten eingebettet sind. Ähnlich gestaltet sich die Situation auch an Ost- und Westhängen oberhalb von rund 2600m.

Am Sonntag, 30.03. personenausgelöste, mittelgroße Schneebrettlawine am Pfaffenbichl in den Tuxer Alpen. Diese Schneebrettlawine wurde im schwachen Altschneefundament ausgelöst (©Oskar, 30.03.2025).
Am Sonntag, 30.03. personenausgelöste, mittelgroße Schneebrettlawine am Pfaffenbichl in den Tuxer Alpen. Diese Schneebrettlawine wurde im schwachen Altschneefundament ausgelöst (©Oskar, 30.03.2025).

Mit Einzug der Kaltfront am Freitagabend, 28.03. und dem raschen Absinken der Schneefallgrenze erscheint zudem eine Ausbildung einer Schicht aus kleinen kantigen Kristallen an der alten Schneeoberfläche als Folge des Gefahrenmusters 4, kalt auf warm denkbar. Dies besonders an West-, Nord- und Osthängen zwischen etwa 2200m und 2400m.

In diesem Profil von der Hohen Warte in den Tuxer Alpen konnte im Stabilitätstest ein Bruch in einer kantigen Schwachschicht initiiert werden, welcher sich in der Folge auch fortpflanzte. Diese Schwachschicht hat sich aufgrund des Gefahrenmusters 4, kalt auf warm – zwischen der angefeuchteten, warmen Altschneeoberfläche und dem darauf abgelagerten, kalten Neuschnee – ausgebildet.
In diesem Profil von der Hohen Warte in den Tuxer Alpen konnte im Stabilitätstest ein Bruch in einer kantigen Schwachschicht initiiert werden, welcher sich in der Folge auch fortpflanzte. Diese Schwachschicht hat sich aufgrund des Gefahrenmusters 4, kalt auf warm – zwischen der angefeuchteten, warmen Altschneeoberfläche und dem darauf abgelagerten, kalten Neuschnee – ausgebildet.

Nicht persistente – kurzlebige Schwachschichten

Als kurzlebige Schwachschichten innerhalb des Neu- und Triebschneepakets kommen weichere Schichten in Form von Graupel oder während kurzzeitig schwächerem Windeinfluss gefallenem Neuschnee in Frage. Diese werden sich in den kommenden Tagen mit Sonneneinstrahlung und den ansteigenden Temperaturen recht schnell verfestigen und dürften dann kaum mehr störanfällig sein.

Recht verbreitet wurden uns von unseren Beobachtern Graupeleinlagerungen im Neuschneepaket rückgemeldet. Dieser stellt eingeschneit eine mögliche Schwachschicht für Schneebrettlawinen dar (©Horst Fankhauser, 30.03.2025).
Recht verbreitet wurden uns von unseren Beobachtern Graupeleinlagerungen im Neuschneepaket rückgemeldet. Dieser stellt eingeschneit eine mögliche Schwachschicht für Schneebrettlawinen dar (©Horst Fankhauser, 30.03.2025).
Auch von einem gebundenen Brett überlagerter, lockerer Neuschnee stellt eine mögliche (kurzlebige) Schwachschicht für Schneebrettlawinen dar (©Christoph Pfeifer, 01.04.2025).
Auch von einem gebundenen Brett überlagerter, lockerer Neuschnee stellt eine mögliche (kurzlebige) Schwachschicht für Schneebrettlawinen dar (©Christoph Pfeifer, 01.04.2025).

Am ersten Schönwettertag ist Zurückhaltung angebracht

Morgen Mittwoch, 02.04. zeichnet sich der erste Schönwettertag nach einer recht ergiebigen Niederschlagsphase ab. Die Berge locken tief verschneit, besonders an etwas windgeschützten schattigen Hängen kann guter Pulverschnee angetroffen werden. Die Lawinensituation erfordert an diesem ersten Tag jedoch Vorsicht. Wie im Frühjahr nicht unüblich, werden gleich mehrere Lawinenprobleme und Lawinenarten schlagend.

Die schwarze Linie zeigt den Mittelwind in 3000m Höhe für die Region westliches Karwendel. Der Wind lässt am Mittwoch deutlich nach, in den Folgetagen bleibt es windschwach.
Die schwarze Linie zeigt den Mittelwind in 3000m Höhe für die Region westliches Karwendel. Der Wind lässt am Mittwoch deutlich nach, in den Folgetagen bleibt es windschwach.
Verlauf der Frostgrenze bis Ende der Woche: es wird (vorerst) wieder mild (©Oberlandwetter).
Verlauf der Frostgrenze bis Ende der Woche: es wird (vorerst) wieder mild (©Oberlandwetter).

Schneebrettlawinen

Besonders oberhalb 2200m und vor allem an Schattenhängen – oberhalb etwa 2600m auch an Sonnenhängen – können Schneebrettlawinen von einzelnen WintersportlerInnen noch leicht ausgelöst werden und mittelgroß, vereinzelt auch groß werden. Die Gefahrenstellen sind oft überschneit und schwer zu erkennen, zudem sind vorhin erwähnte Schwachschichten im Altschnee wieder vermehrt störanfällig. Wir raten dazu, die Situation mit allen Sinnen wahrzunehmen und sich langsam heranzutasten, bevor Gelände mit ernsthaften Konsequenzen in Angriff genommen wird.

Kurzlebige Schwachschichten im Neu- und Triebschneepaket bleiben in den kommenden Tagen besonders im sehr steilen, schattigen Gelände störanfällig. Im Bild eine mittelgroße von Skifahrern ausgelöste Schneebrettlawine vom 30.03. an einem Nordhang auf ca. 3000m am Rettenbachferner in den Ötztaler Alpen. Es wurde niemand mitgerissen oder erfasst (©Tobias Holzknecht, 30.03.2025).
Kurzlebige Schwachschichten im Neu- und Triebschneepaket bleiben in den kommenden Tagen besonders im sehr steilen, schattigen Gelände störanfällig. Im Bild eine mittelgroße von Skifahrern ausgelöste Schneebrettlawine vom 30.03. an einem Nordhang auf ca. 3000m am Rettenbachferner in den Ötztaler Alpen. Es wurde niemand mitgerissen oder erfasst (©Tobias Holzknecht, 30.03.2025).
Kleine bis mittelgroße Schneebrettlawine, welche am Sonntag, 30.03. im Bereich des Pitztaler Gletschers von Personen im frischen Triebschnee ausgelöst wurde. Es wurde niemand verletzt (©Marvin Kärle, 30.03.2025).
Kleine bis mittelgroße Schneebrettlawine, welche am Sonntag, 30.03. im Bereich des Pitztaler Gletschers von Personen im frischen Triebschnee ausgelöst wurde. Es wurde niemand verletzt (©Marvin Kärle, 30.03.2025).
Ebenfalls im Neuschnee ausgelöste, kleine Schneebrettlawinen an den Osthängen zwischen 2450m und 2650m unterhalb des Rotkopfs in den Lechtaler Alpen (©Andreas Knabl, 30.03.2025).
Ebenfalls im Neuschnee ausgelöste, kleine Schneebrettlawinen an den Osthängen zwischen 2450m und 2650m unterhalb des Rotkopfs in den Lechtaler Alpen (©Andreas Knabl, 30.03.2025).
Spontane kleine Schneebrettlawine im Bereich der Rotschragenspitze an einem Nordosthang auf rund 2750m. Hier überlagerte frischer Triebschnee Schwachschichten in der geringmächtigen Altschneedecke. In Regionen mit weniger Neuschnee können Gefahrenstellen von geübten als solche erkannt und gemieden werden (Triebschnee ist als Brett notwendig). In den neuschneereichen Gebieten im Osten ist dies deutlich schwieriger (©Johannes Kapeller, 30.03.2025).
Spontane kleine Schneebrettlawine im Bereich der Rotschragenspitze an einem Nordosthang auf rund 2750m. Hier überlagerte frischer Triebschnee Schwachschichten in der geringmächtigen Altschneedecke. In Regionen mit weniger Neuschnee können Gefahrenstellen von geübten als solche erkannt und gemieden werden (Triebschnee ist als Brett notwendig). In den neuschneereichen Gebieten im Osten ist dies deutlich schwieriger (©Johannes Kapeller, 30.03.2025).
Im Hintergrund der Anriss der bereits an früherer Stelle in diesem Blog gezeigten personenausgelösten Schneebrettlawine am Pfaffenbichl an einen Nordosthang auf etwa 2300m. Im Vordergrund erkennt man im Schneeprofil die schwache Basis aus kantigen Kristallen und Tiefenreif (©Tim Sperle, 30.03.2025).
Im Hintergrund der Anriss der bereits an früherer Stelle in diesem Blog gezeigten personenausgelösten Schneebrettlawine am Pfaffenbichl an einen Nordosthang auf etwa 2300m. Im Vordergrund erkennt man im Schneeprofil die schwache Basis aus kantigen Kristallen und Tiefenreif (©Tim Sperle, 30.03.2025).

Lockerschneelawinen

Besonders in den neuschneereichen Regionen ist zudem die Gefahr von spontanen Lockerschneelawinen aus extremem besonnten Steilgelände eine ernstzunehmende Gefahr. Solche Lawinen können vereinzelt auch tiefere, bereits durchnässte Schichten der Altschneedecke mitreißen und dadurch gefährlich groß werden.   

Mit Sonneneinstrahlung und der Erwärmung nimmt am morgigen Mittwoch, 02.04. die Auslösebereitschaft von feuchten Lockerschneelawinen im Tagesverlauf rasch zu. In der Mitte dieser beiden durch Skifahrer ausgelösten Lockerschneerutsche ist ein leicht überschneites Gleitschneemaul zu erkennen (©Adrian Roth, 30.03.2025).
Mit Sonneneinstrahlung und der Erwärmung nimmt am morgigen Mittwoch, 02.04. die Auslösebereitschaft von feuchten Lockerschneelawinen im Tagesverlauf rasch zu. In der Mitte dieser beiden durch Skifahrer ausgelösten Lockerschneerutsche ist ein leicht überschneites Gleitschneemaul zu erkennen (©Adrian Roth, 30.03.2025).
Spontane Lockerschneelawinen können in der Sturzbahn den teils bis zum Boden hin durchnässten Schnee mitreißen und dadurch gefährlich groß werden (©Andreas Kindl, 30.03.2025).
Spontane Lockerschneelawinen können in der Sturzbahn den teils bis zum Boden hin durchnässten Schnee mitreißen und dadurch gefährlich groß werden (©Andreas Kindl, 30.03.2025).

Gleitschneelawinen

In den neuschneereichen Gebieten ist davon auszugehen, dass mit der Setzung in den kommenden Tagen auch die Gleitaktivität wieder zunehmen wird. Vor allem dort, wo der Schnee auf bereits aperen Boden gefallen ist, sind zahlreiche kleine bis mittlere spontane Gleitschneelawinen zu erwarten. Bereiche unterhalb und um Gleitschneerissen sollten möglichst gemieden werden.

Gleitschneerisse und frische Gleitschneelawinen in den östlichen Kitzbüheler Alpen. Vor den Niederschlägen waren diese Hänge vermutlich bereits schneefrei (©Manuel Margesin, 01.04.2025).
Gleitschneerisse und frische Gleitschneelawinen in den östlichen Kitzbüheler Alpen. Vor den Niederschlägen waren diese Hänge vermutlich bereits schneefrei (©Manuel Margesin, 01.04.2025).
Äsende Gämse im Gleitschneeriss, Weirichtal (©LWD Tirol, 01.04.2025).
Äsende Gämse im Gleitschneeriss, Weirichtal (©LWD Tirol, 01.04.2025).