Mit Neuschnee steigt am Wochenende die Gefahr von spontanen Lockerschneelawinen an, einzelne Gefahrenstellen für trockene Lawinen im Hochgebirge

Ab Donnerstag, 02.05. bis Samstagmorgen, 04.05. kommt auf den Bergen Tirols etwas Neuschnee hinzu. Dieser wird verbreitet auf eine nasse Altschneedecke abgelagert. Mit (diffuser) Sonneneinstrahlung wird der Neuschnee ab Samstag rasch angefeuchtet werden. Aus felsdurchsetztem Steilgelände aller Expositionen sind zahlreiche spontane kleine bis mittelgroße Lawinen zu erwarten, welche mitunter auch die durchnässte Schneedecke mitreißen können. An sehr steilen Schattenhängen im Hochgebirge sind frische Triebschneeansammlungen vereinzelt störanfällig.

Entwicklung der Wetter- und Lawinensituation

Tiefdruckeinfluss bringt auf den Bergen verbreitet etwas Neuschnee

Bereits in der Nacht auf Donnerstag, 02.05. setzt in Osttirol und entlang des Alpenhauptkamms etwas Niederschlag ein. Dieser soll oberhalb von etwa 2300 bis 2500m als Schnee fallen. Am Freitag ist in ganz Tirol mit etwas Neuschnee zu rechnen, die Schneefallgrenze sinkt dabei bis in den Bereich der Waldgrenze. Der Wind weht meist mäßig aus (nord)westlichen Richtungen, entlang des Alpenhauptkamms und südlich davon mit Nordföhn mitunter etwas stärker.

Bis Samstag, 04.05. fallen verbreitet 10 bis 20cm Neuschnee, lokal auch bis zu 30cm.
Bis Samstag, 04.05. fallen verbreitet 10 bis 20cm Neuschnee, lokal auch bis zu 30cm.
Prognostizierte Neuschneemengen, Mittelwind und Schneefallgrenze (obere horizontale Achse) für die Glocknergruppe.
Prognostizierte Neuschneemengen, Mittelwind und Schneefallgrenze (obere horizontale Achse) für die Glocknergruppe.
Am Donnerstag ist es in Nordtirol noch recht föhnig, bevor dieser in der Nacht auf Freitag einbricht. Der Nordföhn sorgt ab Freitag im Südabhang des Alpenhauptkammes für Schneeverfrachtungen (©Landeswetterdienst Südtirol).
Am Donnerstag ist es in Nordtirol noch recht föhnig, bevor dieser in der Nacht auf Freitag einbricht. Der Nordföhn sorgt ab Freitag v.a. am Südabhang des Alpenhauptkammes für Schneeverfrachtungen (©Landeswetterdienst Südtirol).

Nach den Niederschlägen trocknet die Luft im Laufe des Samstags auf und es wird wieder freundlicher. Am Sonntag ist aus heutiger Sicht mit labilem, frühlingshaftem Wetter zu rechnen. Die Temperaturen steigen wieder an.

Prognostizierte Lufttemperaturen für den Patscherkofel (2247m). Ab Samstag, 04.05. ist wieder mit einem Anstieg der Temperaturen zu rechnen (©Kachelmannwetter).
Prognostizierte Lufttemperaturen für den Patscherkofel (2247m). Ab Samstag, 04.05. ist wieder mit einem Anstieg der Temperaturen zu rechnen (©Kachelmannwetter).

Spontane Lockerschneelawinen bilden die Hauptgefahr, einzelne Triebschneepakete in den Hochlagen

Der Neuschnee wird an allen Expositionen und bis ins Hochgebirge auf eine nasse Altschneeoberfläche abgelagert. Zwischen Alt- und Neuschnee wird sich nur eine dünne Schmelzkruste ausbilden können. Im Hochgebirge, besonders in den etwas neuschneereicheren Regionen entlang des Alpenhauptkamms können sich mit dem Neuschnee und Wind frische Triebschneeansammlungen bilden. Diese sind meist nur klein, können aber an sehr steilen Schattenhängen vereinzelt störanfällig sein. Als Schwachschicht ist lockerer Neuschnee oder mitunter Graupel denkbar. Mit dem Anstieg der Temperaturen und etwas diffuser Strahlung werden sich die Triebschneepakete rasch verfestigen.

Gleichzeitig führen (diffuse) Sonneneinstrahlung und der tageszeitliche Anstieg der Temperaturen am Samstag und Sonntag dazu, dass der Neuschnee feucht wird und an Festigkeit verliert. Es sind in der Folge zahlreiche kleine – in den schneereichen Gebieten – auch mittelgroße spontane Lockerschneelawinen aus felsdurchsetztem Steilgelände aller Expositionen zu erwarten. Ist der Neuschnee durch die Setzung leicht gebunden, sind auch geringmächtige Schneebrettlawinen möglich (als Schwachschicht kommen hier die darunterliegenden Schmelzformen in Frage). Durch den Impuls der spontanen Lawinen kann auch darunter befindlicher nasser und ungebundener Schnee in sehr bis extrem steilen Sturzbahnen mitgerissen werden. Lawinen können dadurch gefährlich groß werden. Vorsicht unterhalb entsprechender Gefahrenbereiche!

An steilen und zuvor schneefreien Grashängen in den neuschneereicheren Gebieten ist zudem damit zu rechnen, dass der Neuschnee auf dem warmen Boden abgleitet. Lawinen sind hier meist nur klein.

Rückblick auf die vergangene Woche

Seit Donnerstag, 25.04. stiegen die Temperaturen nach dem Kaltlufteinbruch, welcher uns seit Mitte April begleitete, wieder sukzessive an. Die Schneedecke wurde in der Folge an allen Expositionen und bis ins Hochgebirge hinauf angefeuchtet. Die Schneehöhen gingen deutlich zurück.  Ab Freitag, 26.04. setzte Südföhn ein.
Seit Donnerstag, 25.04. stiegen die Temperaturen nach dem Kaltlufteinbruch, welcher Mitte April einsetzte, wieder sukzessive an. Die Schneedecke wurde in der Folge an allen Expositionen und bis ins Hochgebirge hinauf angefeuchtet. Die Schneehöhen gingen deutlich zurück.  Ab Freitag, 26.04. setzte in Nordtirol Südföhn ein.
In den ersten sonnigen und bei noch recht kühlen Temperaturen konnte man vergangene Woche Nordseitig noch guten Pulverschnee finden. Aus extremem Steilgelände lösten sich trockene Lockerschneelawinen. Teilweise initiierten diese die kantige Schwachschicht, welche sich nach dem Gefahrenmuster kalt auf warm unter dem Neuschnee ausgebildet hatte (siehe Blog vom 25.04.; Foto: ©LWD Tirol, 25.04.2024).
In den ersten sonnigen Tagen Ende vergangener Woche, konnte man bei noch recht kühlen Temperaturen nordseitig noch guten Pulverschnee finden. Aus extremem Steilgelände lösten sich trockene Lockerschneelawinen. Teilweise initiierten diese die kantige Schwachschicht, welche sich nach dem Gefahrenmuster kalt auf warm unter dem Neuschnee ausgebildet hatte (siehe Blog vom 25.04.; Foto: ©LWD Tirol, 25.04.2024).
Hochwinter-feeling in den Deferegger Alpen in Osttirol. Im Bild nicht zu erkennen: Bis zum Bereich der Waldgrenze liegt auch hier kein Schnee mehr (©LWD Tirol, 25.04.2024).
Hochwinter-feeling in den Deferegger Alpen in Osttirol. Im Bild nicht zu erkennen: Bis zum Bereich der Waldgrenze lag bzw. liegt auch hier kein Schnee mehr (©LWD Tirol, 25.04.2024).
An Sonnenhängen wurde der Neuschnee mit starker Sonneneinstrahlung rasch angefeuchtet. Es lösten sich zahlreiche kleine mit mittelgroße spontane Lockerschneelawinen. Sehr vereinzelt konnte beobachtet werden, dass die kantige Schwachschicht auf der Schmelzkruste angesprochen und dadurch eine Schneebrettlawine ausgelöst wurde (©LWD Tirol, 27.04.2024).  
An Sonnenhängen wurde der Neuschnee mit starker Sonneneinstrahlung rasch angefeuchtet. Es lösten sich zahlreiche kleine mit mittelgroße spontane Lockerschneelawinen. Sehr vereinzelt konnte beobachtet werden, dass die kantige Schwachschicht auf der Schmelzkruste angesprochen und dadurch eine Schneebrettlawine ausgelöst wurde. Stubaier Alpen (©LWD Tirol, 27.04.2024).  
Auch bei dieser Lawine im Bereich der Mutterberger Seespitze in den Stubaier Alpen initiierte eine Lockerschneelawine in ihrer Sturzbahn eine Schneebrettlawine. Die Schwachschicht stabilisierte sich in den Folgetagen rasch und konnte kaum mehr angesprochen werden (©Günter Chwojan, 26.04.2024).
Auch bei dieser Lawine im Bereich der Mutterberger Seespitze in den Stubaier Alpen initiierte eine Lockerschneelawine in ihrer Sturzbahn eine Schneebrettlawine. Die Schwachschicht stabilisierte sich in den Folgetagen rasch und konnte kaum mehr angesprochen werden (©Günter Chwojan, 26.04.2024).
Nasse Lockerschneelawinen konnten (und können auch am kommenden Wochenende) in steilen Sturzbahnen vereinzelt weit vorstoßen. Brandjoch, Nordkette (©Walter Würtl, 28.04.2024).
Nasse Lockerschneelawinen konnten (und können auch am kommenden Wochenende) in steilen Sturzbahnen vereinzelt weit vorstoßen. Brandjoch, Westliches Karwendel (©Walter Würtl, 28.04.2024).
Ab Freitag, 26.04. staute sich feuchte Luft von Süden gegen die Alpen. Im Bild die Föhnmauer hinter Ochsenkogel, Rötenspitzen und Wetterspitzen (v.l.n.r.) im hinteren Stubaital (©LWD Tirol, 27.04.2024).
Ab Freitag, 26.04. staute sich feuchte Luft von Süden gegen die Alpen. Im Bild die Föhnmauer hinter Ochsenkogel, Rötenspitzen und Wetterspitzen im hinteren Stubaital (©LWD Tirol, 27.04.2024).
Mit dem Südföhn entstanden frische aber meist kleine Triebschneeansammlungen, welche an Schattenhängen hinter Geländekanten oberhalb rund 2400m kurzfristig störanfällig waren. Als Schwachschicht diente hierbei entweder lockerer Pulverschnee oder Oberflächenreif – welcher Sich in der Nacht auf Freitag, 26.04. teilweise ausbilden konnte (©Günter Chwojan, 27.04.2024).
Mit dem Südföhn entstanden frische aber meist kleine Triebschneeansammlungen, welche an Schattenhängen hinter Geländekanten oberhalb rund 2400m kurzfristig störanfällig waren. Als Schwachschicht diente hierbei entweder lockerer Pulverschnee oder Oberflächenreif – welcher sich in der Nacht auf Freitag, 26.04. teilweise ausbilden konnte (siehe obere Wetterstationsgrafik; ©Günter Chwojan, 27.04.2024).
Im Bild die Ablagerung einer kleinen bis mittelgroße Schneebrettlawine im Bereich des Schwarzensteinkeeses in den Zillertaler Alpen. Die Lawine wurde am Samstag, 27.04. durch eine sich im Aufstieg befindliche 4- köpfige Skitourengruppe an einem Nordhang auf 2450m ausgelöst. Alle Personen wurden von der Lawine erfasst, konnten sich jedoch rasch selbst befreien. Eine Person wurde leicht verletzt. Unfallkausal war auch hier frischer Triebschnee, welcher durch den Südföhn entstanden war (©Alpinpolizei, 27.04.2024).  
Im Bild die Ablagerung einer kleinen bis mittelgroße Schneebrettlawine im Bereich des Schwarzensteinkeeses in den Zillertaler Alpen. Die Lawine wurde am Samstag, 27.04. durch eine sich im Aufstieg befindliche 4- köpfige Skitourengruppe an einem Nordhang auf 2450m ausgelöst. Die Gruppe wurde von der Lawine erfasst, alle Personen konnten jedoch rasch befreit werden. Eine Person wurde leicht verletzt. Unfallkausal war auch hier frischer Triebschnee, welcher durch den Südföhn entstanden war (©Alpinpolizei, 27.04.2024).  
Diese kleine Schneebrettlawine wurde am darauffolgenden Sonntag, 28.04. unterhalb des Gablers (3261m) in der Reichenspitzgruppe ebenfalls an einem Nordhang auf ca. 2400m aus 20m Distanz fernausgelöst (©Valentin Leeb, 28.04.2024).  
Diese kleine Schneebrettlawine wurde am darauffolgenden Sonntag, 28.04. unterhalb des Gablers (3261m) in der Reichenspitzgruppe ebenfalls an einem Nordhang auf ca. 2400m aus 20m Distanz fernausgelöst (©Valentin Leeb, 28.04.2024).  
Auch die Murmeltiere sind bereits wieder unterwegs (©Domenik Jenewein, 28.04.2024)
Auch die Murmeltiere sind bereits wieder unterwegs (©Domenik Jenewein, 28.04.2024)
Abschließend noch ein Schnappschuss einer Schneerolle. Diese sind vor allem dann zu sehen, wenn lockerer Pulverschnee erstmalig feucht und pappig wird (©LWD Tirol, 27.04.2024).
Abschließend noch ein Schnappschuss einer Schneerolle. Diese sind vor allem dann zu sehen, wenn lockerer Pulverschnee erstmalig feucht und pappig wird (©LWD Tirol, 27.04.2024).

Mit Ende unseres täglichen Lawinenreports für die Wintersaison 2023/2024 wollen wir uns an dieser Stelle bei allen Personen bedanken, welche uns im Laufe der Saison via SNOBS wertvolle Rückmeldungen aus dem Gelände geschickt haben.

Ganz besonderem Dank gilt unseren BeobachterInnen, welche die ganze Saison ihre Nase in den Schnee stecken, uns über die Entwicklung der Lawinensituation informieren und die das Rückgrat unserer Arbeit darstellen.

Informationen über die Schnee- und Lawinenlage werden bis zum Beginn der nächsten Saison besonders bei größeren Änderungen der Situation im Blog veröffentlicht.