In der Höhe teils viel Neuschnee – Lockerschneelawinen als Hauptproblem

Nach einer frühsommerlichen Periode bis 15.04. ist seither wieder der Winter eingekehrt: Kalte Temperaturen, Schneefall bis in tiefe Lagen und ein zum Teil markanter Anstieg der Schneehöhe mit der Seehöhe. Die Lawinengefahr wird trotz der beachtlichen Neuschneemengen als mäßig eingestuft. Das Hauptproblem ist aktuell ein Neuschneeproblem mit vermehrten Lockerschneelawinen aus extrem steilem Gelände.

Der Winter ist zurückgekehrt

Die vergangene Woche war durch einen markanten Temperaturabfall samt regelmäßigem Neuschneefall geprägt. Aufsummiert kamen zum Teil mehr als 100cm Neuschnee zusammen. Auffallend war auch – wie man es im April häufig beobachten kann – eine deutliche Zunahme der Schneehöhe mit der Seehöhe. Laut Beobachtungen aus dem Gelände fielen dort während der vergangenen Tage meist zwischen 50cm und 75cm Schnee. Der Wind wehte anfangs noch kräftig, nahm dann aber deutlich ab. Inzwischen findet man in der Höhe meist sehr guten Pulverschnee.

72h-Schneedifferenz 22.04.-19.04.2024. Besonders niederschlagsreich: Der Westen und Norden: Nicht ersichtlich: Auch am Alpenhauptkamm fiel in großen Höhen sehr viel Schnee
72h-Schneedifferenz 22.04.-19.04.2024. Besonders niederschlagsreich: Der Westen und Norden: Nicht ersichtlich: Auch am Alpenhauptkamm fiel in großen Höhen sehr viel Schnee
Eine niederschlagsreiche und kalte Zeit liegt hinter uns. Station Jöchelspitze im Außerfern
Eine niederschlagsreiche und kalte Zeit liegt hinter uns. Station Jöchelspitze im Außerfern
Mit der Nordströmung bekam u.a. auch das Kaisergebirge viel Niederschlag ab. Station Gaudeamushütte
Mit der Nordströmung bekam u.a. auch das Kaisergebirge viel Niederschlag ab. Station Gaudeamushütte

Lockerschneelawinen als Hauptproblem

Die Rückmeldungen unserer Beobachter bestätigen einen in der Höhe meist sehr lockeren Neuschnee. Dieser überlagert jene Triebschneeansammlungen, welche sich v.a. am Freitag 19.04. und Samstag, 20.04. gebildet haben. Als Schwachschicht für diese Triebschneeansammlungen diente kurzfristig lockerer Pulverschnee von vergangener Woche, der sich inzwischen zu filzigen Formen oder Rundkörnern umgewandelt hat. Oberhalb etwa 2600m gehen wir aktuell noch von einer gewissen, jedoch stetig abnehmenden Störanfälligkeit aus. Dies bestätigen aktuell auch Sprengungen, die heute am 23.04. z.B. in den Stubaier Alpen durchgeführt wurden. Außer meist kleinen Lockerschneelawinen konnten keine Lawinen ausgelöst werden.

Ein Archivbild von Mitte Jänner 2024: Ähnlich guter Pulverschnee erwartet den Wintersportler vielerorts in der Höhe in Tirol. Im sehr steilen und extrem steilen Gelände können Lockerschneelawinen entweder spontan abgehen oder aber der Impuls dazu von WintersportlerInnen gesetzt werden.
Ein Archivbild von Mitte Jänner 2024: Ähnlich guter Pulverschnee erwartet den Wintersportler vielerorts in der Höhe in Tirol. Im sehr steilen und extrem steilen Gelände können Lockerschneelawinen entweder spontan abgehen oder aber der Impuls dazu von WintersportlerInnen gesetzt werden.

Möglich: Gefahrenmuster „kalt auf warm“

Seit 15.04. haben wir die Voraussetzungen für das Gefahrenmuster „kalt auf warm“: Auf eine damals feuchte bis nasse Schneeoberfläche fiel Neuschnee bei deutlich sinkenden Temperaturen. Aufgrund des großen Temperaturunterschiedes zwischen feucht/nass/warm und trocken/kalt bildeten sich an der Grenzfläche zum Teil schon kantige Kristalle. Aktuell haben wird keine Anhaltspunkte, dass sich dort bereits bösartige, großflächigere Schwachschichten ausgebildet hätten. Oftmals fehlt aktuell wohl auch das Brett oberhalb der sich entwickelnden, kantigen Kristalle.

Dennoch: Wir erachten es als möglich, dass sich im Verlauf dieser Woche mit der zu erwartenden, zunehmenden Setzung des Neuschnees, die Bedingungen für mögliche Schneebrettauslösungen ergeben können. Aktuell hilft nur ein rascher Blick in die Schneedecke, wo angrenzend an oberflächennahe Krusten auf kantige Kristalle geachtet werden sollte. Vermehrt erwarten wir mögliche Probleme mit gm.4 beginnend von etwa 2400m aufwärts.

Wir sind aktuell sehr dankbar über Informationen einer möglichen Schwachschichtbildung aufgrund des Gefahrenmusters „kalt auf warm“. Gerne immer auch samt Angabe der Seehöhe und der Exposition. Rückmeldungen am liebsten via SNOBS.LIVE

Eines der auf lawis.at verfügbaren Profile, die oberhalb einer Harschkruste kantige Kristalle (samt Graupel) darstellen.
Eines der auf lawis.at verfügbaren Profile, die oberhalb einer Harschkruste kantige Kristalle (darüber Graupel) darstellen.

Gleitschneelawinen v.a. auf bisher aperem Boden

In den Gebieten mit viel Neuschnee sind überall dort, wo es vor den Schneefällen bereits aper war, wieder vermehrt Gleitschneelawinen abgegangen. Hingegen hat die Aktivität an Gleitschneelawinen, dort, wo eine gut gesetzte Altschneedecke vorhanden ist, deutlich abgenommen.

Gleitschneerisse auf kürzlich bereits aperem Boden (Foto: 21.04.2024 © Adi Kerber)
Gleitschneerisse auf kürzlich bereits aperem Boden (Foto: 21.04.2024 © Adi Kerber)

Wie gehts weiter?

Vorerst unterkühlt und dem April entsprechend wechselhaft: Die Niederschläge nehmen ab Donnerstag ab. Die Sonne kommt vermehrt zum Vorschein. Ab Freitag dreht die Strömung auf Südwest. Es wird wärmer. Der Wind legt zu. Lockerschneelawinen bleiben vorerst im Vordergrund. Die Schneedecke reagiert rasch auf (diffuse) Strahlung und steigende Temperaturen. Die Entwicklung einer zunehmenden Schneebrettlawinen-Gefahr (u.a. aufgrund von gm.4: „kalt auf warm“) kann hingegen nur kurzfristig solide eingeschätzt werden.

Aprilwetter in der Silvretta: (Foto: LWD Tirol, 18.04.2024)
Aprilwetter in der Silvretta: (Foto: LWD Tirol, 18.04.2024)