Das Frühjahr mit vielen seiner Facetten ist spürbar: In großer Höhe ist es v.a. im Süden tief winterlich. Neuschnee und Sturm bildeten und bilden umfangreiche, z.T. recht störanfällige Triebschneepakete. Mit abnehmender Seehöhe wird die Schneedecke speziell während der kommenden Tage tendenziell feuchter bzw. nässer. Wir erwarten zahlreiche Lockerschneelawinen aus extrem steilem Gelände, aber auch wieder einen Anstieg an Gleitschneelawinen auf steilen Wiesenhängen – je nach Durchnässung gehäuft auch in Nordhängen. Lokal (gebietsweise?) dürfte sich das Gefahrenmuster kalt auf warm mit einer oberflächennahen Schwachschicht (seit 23.03.) ausgebildet haben. Aktuell scheint dies in den niederschlagsreicheren Regionen im Süden schattseitig um 2200m bedeutsam zu sein.
Wechselhaftes Wetter
Die vergangene Woche stand im Zeichen sehr wechselhaften Wetters mit NW-W-Wetterlagen und Südstaulagen. In der Höhe wehte meist starker bis stürmischer Wind.


Markant war u.a. eine markante Kaltfront am 23.03. mit Sturmböen samt einem Temperatursturz und gewitterartigen Niederschlägen.



Triebschnee in der Höhe kritisch beurteilen
Das Hauptproblem stellt aktuell (am 28.03.2024) frischer und kürzlich entstandener Triebschnee dar. Als Schwachschicht für den Triebschnee beobachtete man letzte Woche vermehrt (z.T. massivere) Graupelschichten. Diese haben sich während der teils schauerartigen Niederschlägen seit Mitte vergangener Woche mehrmals abgelagert.


Vom Arlberggebiet wurden uns zwei überraschend großflächige Lawinenabgänge gemeldet. Einmal waren es Lawinenabgänge aufgrund von Sprengungen, einmal ein Lawinenabgang vermutlich aufgrund eines Wechtenbruches. Der primäre Bruch entstand bei den gesprengten Lawinen in der Graupelschicht, sekundär kam es zu einem Bruch in einer tiefer gelegenen kantigen Schicht (auf einer Schmelzharschkruste). Zum Zeitpunkt der Lawinenabgänge war das Brett wohl kurzfristig nach stürmischen Verhältnissen besonders gut ausgebildet.


In der Regel waren jedoch die uns gemeldeten Lawinenabgänge meist klein, vereinzelt mittelgroß, immer kammnah bzw. hinter Geländekanten sowie vermehrt schattseitig. Als kurzfristige Schwachschicht dürfte zusätzlich wohl immer wieder auch überwehter Neuschnee gedient haben.



Mögliche Schwachschicht aufgrund des Gefahrenmusters „kalt auf warm“
Wir tappen etwas im Dunklen, jedoch scheint sich schattseitig um 2200m seit 23.03. lokal (ev. auch gebietsweise) eine Schwachschicht aufgrund des Gefahrenmusters kalt auf warm ausgebildet zu haben. Eine Rückmeldung aus dem südlichen Zillertal von heute (28.03.2024) scheint dies zu bestätigen. Die Voraussetzungen dafür sind ja seit dem Temperatursturz am Samstag, 23.03. gegeben: eine anfangs noch feuchte Schneeoberfläche wurde von kaltem Schnee überlagert. Prinzipiell kann dieses Phänomen auch für die südlichen, kürzlich neuschneereichen Regionen in besonnten Hängen (bis etwa 2600m?! hinauf) bedeutsam sein. Wir sind über entsprechende Beobachtungen aus dem Gelände (mit Angabe der Seehöhe, Exposition und nach Möglichkeit auch Testergebnis sehr dankbar!) Entsprechende Rückmeldungen bitte via mail an lawine@tirol.gv.at


Gleitschnee als latente Gefahr
Letzte Woche wurde die Schneedecke bis zum 23.03. (auch durch Regeneinfluss) weiter durchfeuchtet. Das wirkte sich neuerlich auf die Gleitschneeaktivität aus (die aktuell etwas nachgelassen hat). Dennoch, es bleibt unser gebetsmühlenartiger Ratschlag, sich nach Möglichkeit nicht unterhalb von Rissen in der Schneedecke aufzuhalten.


Wie gehts weiter?
Wärmeeintrag und (diffuse) Strahlung werden die Schneedecke zunehmend durchfeuchten. Wir erwarten vermehrt feuchte bzw. nasse Lockerschneelawinen aus extrem steilem Gelände, dies bereits ab morgen, 29.03.2024. Ebenso kann die Gleitschneeaktivität wieder erhöht sein.
In der Höhe bleibt frischer bzw. kürzlich gebildeter Triebschnee das Hauptproblem. Auf den Bergen wird es wieder stürmisch. Von Sonntag auf Montag kommen im Süden z.T. beachtliche Neuschneesummen zusammen. In den südlichen Ötztaler Alpen geht man aktuell von etwa 50cm Neuschnee aus. Die Situation für Wintersportler bleibt deshalb in den südlichen, neuschneereichen Regionen in der Höhe heikel.
Bei z.T. schlechter Sicht wird die Gefahreneinschätzung erschwert sein. Speziell im Süden ist viel Erfahrung, aber auch große Zurückhaltung angebracht, um das Risiko entsprechend zu reduzieren.
Weiter im Norden sind die Verhältnisse vergleichsweise besser. Dennoch: Im Frühjahr können kleine Unterschiede beim Wetter große Änderungen der Lawinengefahr in kurzer Zeit bedingen. Deshalb sind ständige Information, aber auch gute Geländebeobachtung und entsprechend rasche Reaktion auf die Verhältnisse wichtige Grundlagen im freien Gelände.
Das gesamte Team des Lawinenwarndienstes des Landes Tirol wünscht euch allen Frohe Ostern! (Bei neuen Erkenntnissen zur Lawinensituation werden wir uns via neuem Blogeintrag wieder melden).