Viel Neuschnee und Wind: Gebietsweise erhebliche Lawinengefahr

Ergiebige Niederschläge in weiten Teilen Nordtirols, begleitet von teils stürmischem Nordwestwind haben die Lawinengefahr negativ beeinflusst. Das Triebschneeproblem ist auf den Bergen zwar weiterhin tonangebend, die Gefahrenstellen sind aber nun deutlich umfangreicher als zuletzt. Lawinen können stellenweise leicht ausgelöst werden und für Wintersportlerinnen gefährlich groß werden. Wir empfehlen am Wochenende eine defensive Routenwahl. Zudem hat auch die Aktivität von Gleitschneelawinen mit der neuerlichen Auflast (und Regeneintrag) wieder zugenommen.

Günstiger ist die Lawinensituation im zentralen und südlichen Osttirol. Hier gibt es nur wenig Veränderung zur vergangenen Woche.

Aktuelle Situation

Triebschneeproblem & potenzielles Altschneeproblem

Der Neu- und Triebschnee der letzten Stunden liegt bis zumindest auf 2200m hinauf auf einer günstigen Altschneedecke, welche durch die markante Erwärmung samt Regeneintrag am 24.01. deutlich angefeuchtet wurde. Die Wärme hat etwaige Schwachschichten im Bereich der alten Schneeoberfläche zerstört. Neu- und Triebschnee gehen unterhalb von etwa 2200m eine gute Verbindung mit der angefeuchteten Schneeoberfläche ein.

In höheren Lagen schaut die Situation anders aus. Man findet dort mögliche (kurzlebige) Schwachschichten innerhalb des Neu- und Triebschneepakets in Form von lockerem Neuschnee. Mit zunehmender Seehöhe werden solche Gefahrenstellen häufiger.

Mögliche (langanhaltende) Schwachschichten könnten im Nahbereich einer ab dem 09.01.2024 gebildeten Schmelzkruste in Form von kantigen Kristallen entstanden sein. Wir gehen von einem entsprechenden Gefahrenpotenzial vor allem an Sonnenhängen (O-S-W) oberhalb von rund 2400m aus, an Schattenhängen potenziell zwischen etwa 2200m bis 2400m. Dies gilt vor allem für die Gebiete, wo es die größten Niederschlagsmengen gab. Über Rückmeldungen diesbezüglich freuen wir uns (snobs.live).

Ein besonders schöner Schnappschuss von kantigen Kristallen unterhalb einer Schmelzkruste. Das wechselhafte Wetter in den vergangenen Wochen hat zur Bildung von Schmelzkrusten geführt, an welchen sich kantige Kristalle entwickelt haben, welche mögliche Schwachschichten für Schneebrettlawinen darstellen können (Foto: 21.01.2024, ©Stefan Zangerl).
Persistente (langanhaltende) Schwachschicht in Form von kantigen Kristallen und Becherkristallen oberhalb einer Schmelzkruste an einem sehr steilen Westhang auf rund 2450m in der Glocknergruppe (Link zum Profil).

Im Hinblick auf das kommende sonnige Wochenende raten wir nach dieser wechselhaften Wetterphase zu Zurückhaltung im freien Gelände. Beachtet, dass wir es in den vergangenen Wochen mit einer weitestgehend stabilen Schneedecke zu tun hatten, wo meist nur kleine, oberflächliche Lawinen ausgelöst werden konnten. Dies hat sich nun verändert. Gefahrenstellen sind deutlich umfangreicher und Lawinenauslösungen können größere Konsequenzen mit sich bringen! Es besteht zudem eine gewisse Unsicherheit was die Störanfälligkeit von Schwachschichten unterhalb des Neu- und Triebschneepakets anbelangt. Wir raten vorerst, größere Steilhänge zu meiden und etwas abzuwarten – die Erwärmung in den nächsten Tagen führt jedenfalls zu einer allmählichen Verbesserung der Situation.

Gleitschneeproblem & Lockerschneelawinen

Der Niederschlag hat für eine Auflast gesorgt, welche zu einer Zunahme der Gleitaktivität geführt hat. In mittleren Lagen hat der viele Regen die Schneedecke komplett durchnässt. Auch in den kommenden Tagen ist mit mittleren und – in den schneereichen Regionen – vereinzelt großen Gleitschneelawinen zu rechnen. Gleitschneelawinen gehen immer spontan ab – sie sind zeitlich nicht vorhersehbar. Achtet auf potenzielle Gefahrenbereiche über geplanten Aufstiegsrouten sowie mögliche Auslaufbereiche und meidet diese wenn möglich konsequent.

Die Gleitschneeproblematik bleibt uns erhalten. Frische Gleitschneelawinen in Mattun bei St. Anton, in den Lechtaler Alpen. (Foto: 19.01.2024, ©Chris Riepl).

Mit Sonneneinstrahlung und weiterhin recht milden Temperaturen am Freitag, 26.01. sind zudem zahlreiche spontane Lockerschneelawinen aus extremen Steilgelände zu erwarten. Deren Größe variiert je nach Neuschneemenge. Die Gefahrenbereiche liegen vor allem an sonnenbeschienenen, felsdurchsetzten Hängen.

Kurzer Rückblick

Die vergangenen Tage waren geprägt von einem auf und ab der Temperaturen. Regen, Schnee und Wind in allen Spielarten. Ein Wechselbad der Gefühle für die Schneeaffinen unter uns. Zunächst etwas Schneefall bei deutlich absinkenden Temperaturen und wenig Wind auf Freitag, 19.01., darauffolgend schöne Wintertage bei sukzessive ansteigenden Temperaturen. Dann eine Abfolge von Fronten aus einer mild- feuchten und turbulenten Nordwest- Anströmung. Eine Kaltfront in der Nacht auf Donnerstag, 25.01. brachte schließlich gebietsweise viel Niederschlag mit sich. Die Schneefallgrenze lag Donnerstagabend zunächst noch oberhalb der Waldgrenze und sank im Laufe der Nacht in mittlere Lagen ab.

Die vergangene Woche an der Wetterstation am Hochgasser in der Venedigergruppe. Am vergangenen Samstag, 20.01 wurden noch bitterkalte -20°C gemessen, die Temperaturen stiegen in den Folgetagen sukzessive an. Vor allem die Warmfront in der Nacht auf Mittwoch, 24.01. sowie das darauffolgende feucht-warme Wetter setzten der Schneedecke deutlich zu. Mit der Kaltfront auf Donnerstag sanken die Temperaturen wieder etwas ab und es fiel Neuschnee bei weiterhin teils stürmischem Wind.
Der Niederschlag auf Freitag, 19.01.2024 fiel gebietsweise mit nur wenig Wind. Der Untergrund war oft hart und trockene Lockerschneelawinen konnten dadurch oft lange Auslauflängen erreichen (Foto: 20.01.2024, ©Gabriel Falkner).
Wildschnee: Dieser charakterisiert sich durch seine äußerst geringe Dichte. Diese erhält er deshalb, weil die Schneekristalle bei wenig Wind und oft kalten Temperaturen fallen und sich in der Folge beinahe unzerstört ablagern. Ähnlich wie eine Daunenfeder schließen diese Schneekristalle aufgrund ihrer verzweigten Struktur viel Luft mit ein und der Schnee ist dadurch besonders leicht (Foto: 19.01.2024, ©Elisabeth Zangerl).
Eine spontane kleine Schneebrettlawine hinter einer Geländekante in der Granatspitzgruppe in Osttirol. Dieses Bild steht exemplarisch für die kleinen, oberflächlichen Triebschneeansammlungen, welche bis etwa Mitte letzter Woche das Hauptlawinenproblem darstellten. Auf der anderen Seite des Grabens ein Gleitschneeriss. Der recht enge Graben im Ablagerungsbereich stellt eine markante Geländefalle dar, wo auch eine kleine Lawine zu einer kritischen Verschüttung führen kann (Foto: 20.01.2024, ©Toni Riepler).
Oberflächenreif, welcher bis vergangene Woche noch verbreitet beobachtet wurde, wurde zwischenzeitlich durch Wind und Wärme zerstört. Im Bild leicht überschneiter Oberflächenreif bei den Gleinser Mähdern auf ca. 1600m (Foto: 21.01.2024, ©Dominik Jenewein).
Mit der Erwärmung und Regeneintrag kam es am Mittwoch, 24.01. zu zahlreichen spontanen Nass- und Gleitschneelawinen (Foto: 24.01.2024, ©Adi Kerber).
Oberflächliche Schneebrettlawinen am Stubaier Gletscher. Diese lösten sich mit mit dem Wärmeimpuls der Warmfront und kurzzeitig unerwartet hoher Regengrenze bis auf über 2600m in der Nacht auf Mittwoch, 24.01. (Foto: 24.01.2024, ©Günter Chwojan).
Die Kaltfront in der Nacht auf und in den Morgenstunden vom 24.01. brachte gebietsweise viel Niederschlag. Der Niederschlagsschwerpunkt lag von den Allgäuer Alpen bis ins östliche Karwendel, wo stellenweise mehr als 60mm verzeichnet wurden (©Hydro Online).
Der Wind blieb auch nach Abklingen der Niederschläge noch stark und verfrachtete den Neuschnee auf den Bergen umfangreich, wie hier in den Hohen Tauern (Foto: 25.01.2024, ©LWD Tirol).

Ausblick

Wie geht es weiter? Nach kurzzeitiger Wetterberuhigung bis Freitagnachmittag, 26.01., folgt eine schwache Kaltfront mit neuerlich etwas Niederschlag bis in die Nacht auf Samstag hinein. Der Wind bläst vorübergehend wieder teils stark und verfrachtet den Neuschnee. Zum Wochenende hin beruhigt sich das Wetter aber nachhaltig. Es folgt sehr mildes Hochdruckwetter.

Neuschneeprognose für Freitag, 26.01.
Die schwarze Linie symbolisiert den prognostitzierten Mittelwind, welcher ab Samstag, 27.01. deutlich nachlässt.
Temperaturtrend in den kommenden Tagen. Die Nullgradgrenze steigt gegen 3000m. Deutlich zu mild für Ende Januar (©Oberlandwetter).
Neuschnee? Bis zumindest Ende nächster Woche unwahrscheinlich.