Triebschnee als Hauptgefahr – teilweise schwierig zu erkennen

Kürzlich gebildeter und frischer Triebschnee bilden weiterhin die Hauptgefahr. Die Triebschneeansammlungen sind meist nicht allzu mächtig, jedoch teilweise noch leicht auszulösen. Beachtet im extrem steilen Gelände die Mitreiß- und Absturzgefahr. Vorsicht v.a. vom Waldgrenzbereich aufwärts, vermehrt im Sektor West über Nord bis Ost sowie im kammnahen Steilgelände aller Expositionen.

Vergangene Woche Häufung von Lawinenereignissen

Während der vergangenen Woche, insbesondere am vergangenen Wochenende, häuften sich die Rückmeldungen über Lawinenauslösungen mit Personenbeteiligung. Dies hatte mit dem zunehmenden Windeinfluss zu tun. Dadurch bildeten sich vermehrt neue, zum Teil auch sehr störanfällige Triebschneeansammlungen. Dies insbesondere dort, wo der Triebschnee auf Oberflächenreif bzw. auf einer lockeren Schneeoberfläche aus kantig-filzigen Kristallen zu liegen kam. Hauptbetroffen war der Sektor W über N bis O vom Waldgrenzbereich aufwärts. Ebenso betroffen waren Waldlichtungen. (Details dazu findest du im letzten Blogeintrag vom 15.01.2024 sowie auf lawis.)

Kurzfristig beeinflusste Warmwettereinfluss die Lawinengefahr

Wir haben es gerade mit wechselhaftem Wetter zu tun. Wetterbestimmend ist lt. Geosphere Austria aktuell (am 18.01.) noch eine recht feuchte und warme Westströmung. Diese wird am Abend des 18.01. von einer Kaltfront abgelöst. Der Wind dreht auf Nordwest. Bis in tiefe Lagen fällt Schnee. Meist sind es zwischen 5cm und 15cm, im Westen Nordtirols bis zu 20cm.

In typischen Föhnschneisen – wie dem Wipptal, besonders gut zu sehen am „Föhnberg Patscherkofel“ – wehte gestern am 17.01. starker Südwind. Die Temperatur stieg markant an. Nun dreht die Strömung auf NW. Gerade sinkt die Lufttemperatur wieder.
Abseits der Föhnschneisen – wie hier an der Station Raucheggen in Außervillgraten – war es am 17.01. noch windberuhigter. Deutlich erkennt man den markanten Temperaturanstieg. Gleichzeitig wurde die Schneeoberfläche feucht (graue Linie in der zweiten Grafik von oben)
Niederschlag fiel während der vergangenen Tage vermehrt im Westen, wie hier am Hahnenkamm bei Reutte. Bis knapp 2000m regnete es zeitweise.

Durch die Temperaturzunahme und Anfeuchtung der Schneedecke bis in mittlere Höhenlagen hinauf verstärkten sich zumindest bis etwa 2400m die „Bretteigenschaften“ des kürzlich gebildeten Triebschnees. Dadurch kam es kurzfristig zu einer erhöhten Störanfälligkeit der Schneedecke in Bezug auf Schneebrettlawinen.

Zusätzlich schwächte der Regen die Schneeoberfläche in windberuhigten Bereichen. Aus extrem steilem Gelände lösten sich deshalb vermehrt feuchte und nasse Lockerschneelawinen. Mit der Kaltfront geht die Gefahr von solchen Lockerschneelawinen rasch zurück.

Rissbildung im Steilgelände. Ein gering mächtiges Brett lagert auf einer Schwachschicht. Stubaier Gletscher (Foto: 17.01.2024 © Günter Chwojan)
Lockerschneerutsche bedingt durch die Anfeuchtung der Schneeoberfläche. Westliches Karwendel (Foto: 18.01.2024 © LWD Tirol)
Gerade löste sich eine nasse Lockerschneelawinen in der Venedigergruppe. (Foto: 18.01.2024 © Peter Fuetsch)
Karte der Schneefallgrenze vom 17.01.2024. Wärmere Temperaturen im Norden während einer Südströmung.
Karte der Schneefallgrenze vom 18.01.2024. Nun strömen von NW kalte Luftmassen rein. Die Schneefallgrenze liegt im Norden bereits deutlich tiefer als im Süden.
Übersichtlich zusammengefasst: Roter Balken: Absinken der Schneefallgrenze. Schwarze Linie: Der Während des Schneefalls anfangs noch kräftiger Wind. Eingefärbte Balken: Der Schneefall hört morgen im Verlauf des Vormittags auf.
Ein Blick zurück: 48h-Niederschlag; Bezug 18.01.2024 21:00 Uhr
48h_Neuschnee vom 18.01. auf den 19.01.2024

Ein Blick in die Schneedecke

Mögliche Problembereiche findet man v.a. in oberflächennahen Schichten.

Schneeprofil an einem windberuhigten Ort mit leicht eingeschneitem Oberflächenreif in den Westlichen Tuxer Alpen auf 1690m. Das Eindringen wärmerer Luftmassen erkennt man an der roten Linie zwischen 120cm (Lufttemperatur) und 100cm (Schneeoberflächentemperatur). Oberflächenreif könnte hier als mögliche Schwachschicht dienen, sobald dieser von ausreichend Triebschnee überlagert wird.
Stabile Altschneedecke, unvollständige Brüche in oberflächennahen Schichten. Interessant bei diesem Profil ist v.a. die bereits aufbauend umgewandelte Schicht unter einer – während der vergangenen Woche gebildeten – dünnen Schmelzkruste in besonnten Hängen.
Bei diesem Stabilitätstests kam es nur zu unvollständigen Brüchen. Profilstandort Alfenalm in Innervillgraten (Foto: 17.01.2024 © Walter Würtl)

Vereinzelt weiterhin (auch größere) Gleitschneelawinen möglich

Gleitschneelawinen bleiben eine schwer einzuschätzende Gefahr. Aus höheren, schneereichen Lagen treten diese nur mehr vereinzelt auf, können hingegen gefährlich groß werden. Haltet euch weiterhin von Rissen in der Schneedecke möglichst fern.

In tieferen Lagen hingegen ist wegen der z.T. tiefergreifenden Durchfeuchtung der gering mächtigen Schneedecke kurzfristig noch mit dem gehäuften Auftreten von Gleitschneerutschen zu rechnen. Mit dem Eindringen der kalten Luftmassen werden solche Rutsche dann wieder unwahrscheinlicher.

Das „Leintuch“, die Südhänge der Saile bzw. Nockspitze in den Kalkkögeln: Gleitschneelawinen und Gleitschneemäuler auf steilen Grashängen. (Foto. 13.01.2024 © Florian Wackernell)

Kurzer Ausblick

Die Hauptgefahr bleiben kürzlich entstandene Triebschneeansammlungen. Deren Störanfälligkeit wird während der kommenden Tage etwas zurückgehen. Entsprechend trifft dies auch auf die Lawinengefahr zu.

Vorsicht: Kürzlich gebildete Triebschneepakete werden von Neuschnee bzw. neuen Triebschneepaketen überlagert und sind deshalb mitunter schwierig zu erkennen. Gefahrenstellen findet man vermehrt in Steilhängen im Sektor W über N bis O sowie im kammnahen Gelände aller Expositionen oberhalb der Waldgrenze. Die Lawinen sind meist klein, teilweise mittelgroß. Vorsicht: Im extrem steilen Gelände sollte auf die Mitreiß- und in Folge Absturzgefahr geachtet werden.

Die latente Gefahr von Gleitschneelawinen bleibt aufrecht. Nasse Lockerschneelawinen sollten mit dem Temperatursturz kein Thema mehr sein. Trockene Lockerschneelawinen könnten dann – bei Sonnenschein – wohl wieder vermehrt ab Samstag, den 20.01.2024 zu beobachten sein.