Langsame Entspannung der Lawinensituation

In den vergangenen Tagen hat ist in ganz Tirol viel Niederschlag gegeben. Mit teils starkem Wind haben sich umfangreiche Triebschneepakete gebildet, welche oft bei wechselndem Wind wieder überschneit wurden. Diese bleiben besonders in der Höhe störanfällig. Vor allem sehr steile Hänge hinter Graten, Kämmen oder Geländekanten stellen in den kommenden Tagen Gefahrenbereiche dar. Zudem bleiben Gleitschneelawinen an steilen Wiesenhängen ein latentes – wenn auch aus Sicht des Wintersportlers recht gut zu bewältigendes – Gefahrenmoment…

Vergangene Wetterentwicklung

In den vergangenen 5 Tagen wurden in ganz Tirol verbreitet zwischen 30 und 50mm Niederschlag verzeichnet. Im Westen und Norden Nordtirols lagen die Werte zwischen 70 und 100mm, mit Schwerpunkt in den Lechtaler Alpen und in den Allgäuer Alpen. Die Schneefallgrenze lag bis Dienstag besonders in Nordtirol oft um oder über 2000m, in tiefen und mittleren Lagen fiel der Niederschlag also zumeist in Form von Regen. Erst seit gestern Mittwoch 13.12. hat es wieder spürbar abgekühlt.

Abb. 1: Wetterentwicklung der vergangenen Woche an der Wetterstation Ulmerhütte in den Lechtaler Alpen. Bis Dienstag, 12.12. bewegte sich die Lufttemperatur (rote Linie, zweite Grafik von oben) um 0° C. Hier sind in den vergangenen Tagen rund 60cm Neuschnee hinzugekommen. Der Wind blies teils stark bis stürmisch aus westlichen Richtungen.
Abb. 2: Seit unserem letzten Blogeintrag am Montag, 11.12. sind wieder recht ergiebige Mengen an Niederschlag gefallen. Hauptbetroffen war einmal mehr die Grenzregion zu Vorarlberg (©Hydro Online).

Zukünftige Wetterentwicklung

Der Nordweststau schwächt sich ab und am Freitag fallen nur mehr kosmetische Mengen Neuschnee. Ab Samstag, 16.12. beginnender Hochdruckeinfluss, Sonntag bis Dienstag strahlend blau und sehr mild – die Nullgradgrenze steigt auf über 3000m! Nordwind bläst noch bis etwa Samstagmorgen am direkten Hauptkamm sowie in Osttirol mäßig bis stark, lässt dann aber nach. Etwas ungewiss bleibt dann die weitere Entwicklung ab etwa Mitte nächster Woche. Wir bleiben aber dran und informieren euch, wenn sich die Situation gegen Weihnachten hin etwas klarer abstecken lässt.

Abb. 3: Nur mehr geringe Neuschneemengen am Freitag, 15.12. Danach folgt Hochdruckeinfluss.
Abb. 4: Ab Sonntagmittag (unten) ist die markante Erwärmung auch in den Tallagen deutlich spürbar. Dort werden stellenweise Temperaturen von über 10 °C erreicht.
Abb. 5: Langzeitentwicklung der Neuschneesumme. Die Unsicherheiten ab Mitte nächster Woche sind noch zu groß, um vernünftige Aussagen zu treffen. Möglich ist alles!

Lawinensituation

Triebschnee- und Neuschneeproblem

Hier sorgen wir uns um (relativ) oberflächennahe, nicht langanhaltende Schwachschichten:

Der Wind hat den vielen Neuschnee auf den Bergen umfangreich verfrachtet. Wechselnde Windgeschwindigkeiten und -richtungen haben unterschiedlich harte Schichten an Neu- und Triebschnee übereinandergelagert. Gebundener Triebschnee (das Brett) liegt somit mancherorts auf weicherem, lockereren Schnee – welcher als Schwachschicht dienen kann. Gleichzeitig wurde der Triebschnee z.T. wieder überschneit und ist somit nicht immer als solcher erkennbar.

Mit den milden Temperaturen der vergangenen Tage haben sich viele dieser Schwachschichten im Neu- und Triebschnee wieder verfestigt und sind nicht mehr auszulösen. Vor allem aber die frischeren Triebschneepakete – aber auch ältere Triebschneeansammlungen in der Höhe haben sich noch unzureichend gesetzt und können noch von einzelnen Wintersportlern als Lawine ausgelöst werden.

Vorsicht geboten ist insbesondere an sehr steilen kammnahen Hängen, oder aber auch kammfern – hinter markanten Geländekanten oder Mulden. Schattenhänge sind tendenziell ungünstiger als Sonnenhänge und in der Höhe bleibt die Störanfälligkeit länger bestehen, da bei kälteren Temperaturen die Verfestigung etwas verzögert passiert.

Abb. 6: Triebschneepakete sind stellenweise störanfällig. Risse in der Schneedecke sind Alarmzeichen und können auf die Gefahr hinweisen. Granatspitzgruppe, Osttirol (©Anton Riepler, 14.12.2023).
Abb. 7: Spontane Schneebrettlawine am Stubaier Gletscher (©Günter Chwojan, 14.12.2023).

Altschneeproblem

Wir gehen davon aus, dass langlebige Schwachschichten im Altschnee v.a. in den Gebieten mit weniger Neuschneezuwachs potenziell noch gestört werden können. Wir denken dabei insbesondere an Osttirol. Schneedeckenuntersuchungen und Rückmeldungen unserer Beobachter zeigen, dass dort auch die Altschneeoberfläche (vor den Schneefällen der letzten Tage) vielfach kantig aufgebaut war und eine potenzielle Schwachschicht unter gebundenem Triebschnee darstellen kann.

Abb. 8: Schneedeckenuntersuchungen im Bereich Goldried. Die Stabilitätstests zeigen eine hohe Störanfälligkeit und Neigung zur Bruchausbreitung Dank gutem Triebschneebrett über kantigen Kristallen.

Zumindest in den neuschneereichen Regionen im Norden vermuten wir, dass sich Schwachschichten mit der Auflast verfestigt haben. Zudem liegen diese nun so tief in der Schneedecke, dass sie kaum mehr von Wintersportlerinnen gestört werden dürften.

Gleitschneeproblem

Wenig neues bei den Gleitschneelawinen: Sie können immer noch abgehen, wann immer sie wollen; Gleitschneerisse sind ein prominentes Gefahrenzeichen! Bereiche darunter sollten gemieden werden! Gefahrenbereiche finden sich an steilen Grashängen bis gegen 2400m – je nach Untergrund allerdings auch deutlich weiter hinauf (z.B. nördliches Osttirol).

Abb. 9: Auch Gleitschneelawinen wie hier oberhalb von Kappl bleiben ein Thema – auch wenn deren Aktivität im Vergleich zu den vorangegangenen Tagen etwas abnehmen dürfte (©Chris Riepl, 13.12.2023).

Mit den sehr milden, sonnigen Wetterbedingungen am Wochenende sind zudem zahlreiche Lockerschneelawinen aus extrem steilen Gelände zu erwarten – dies besonders am Samstag.

Abb. 10: Spontane Lockerschnee- (links) und Schneebrettlawinen (rechts) im Defereggental. Triebschneeansammlungen werden sich langsam verfestigen, mit der Sonneneinstrahlung werden aber in den nächsten Tagen viele spontane, meist kleine Lockerschneelawinen zu beobachten sein.