Aktuelle Situation
Die Lawinengefahr wird in weiten Teilen Tirols mit „Erheblich“, also Stufe 3 beurteilt. Das Altschneeproblem oberhalb etwa 2000 m bleibt heimtückisch. Zudem hat inzwischen der Wind wieder zugelegt – in den Föhngebieten wehte heute am 04.12. gebietsweise stürmischer Wind. Die dadurch frisch gebildeten Triebschneeansammlungen sind sehr störanfällig. Auch das Gleitschneeproblem bleibt latent – spontane Abgänge aus steilen Grashängen sind weiterhin möglich, werden aber zunehmend weniger.
Im Hinblick auf das Altschneeproblem empfehlen wir weiterhin v.a. große Steilhänge konsequent zu meiden – vor allem an Übergängen von wenig zu viel Schnee können mitunter auch große Lawinen ausgelöst werden. Triebschneepakete sind (gute Sicht vorausgesetzt) als solche erkennbar und sollten gemieden werden. Ebenso empfehlen wir weiterhin, sich unterhalb von Gleitschneerissen möglichst nicht aufzuhalten.
Bilanz der vergangenen Tage
Wetter
Die Prognosen der GeoSphere Austria für das Niederschlagsereignis vom 01.12. auf den 02.12.2023 haben im Hinblick auf die Niederschlagsmengen sehr gut gepasst. Verbreitet sind zwischen 30 mm und 50 mm Niederschlag gefallen, teilweise waren es bis zu 80 mm. Sehr interessant war die außergewöhnlich intensiv ausgebildete Luftmassengrenze zwischen Norden und Süden sowie die zeitliche Verzögerung des Kaltluftvorstoßes in Richtung Süden. Während es am 01.12. im Nordwesten nach Beginn der Niederschläge recht rasch bis in tiefe Lagen geschneit hat, dauerte es im südlichen Osttirol bis zu den Mittagsstunden des 02.12. Osttirol hat deshalb viel Regen bis zumindest 2300 m abbekommen.



Lawinengefahr
Am Samstag, 02.12.2023 sowie am Sonntag, 03.12.2023 wurde die Lawinengefahr oberhalb etwa 2000 m (in Osttirol oberhalb etwa 2200 m) als „Groß“ eingestuft. Der Hintergrund war mehrschichtig:
Die uns zur Verfügung gestandenen Informationen über den Schneedeckenaufbau zeigten ein zum Teil recht ausgeprägtes Altschneeproblem auf (ausgeprägte Schwachschichten im Bereich von Schmelzkrusten; z.T. Krusten-Sandwiches). Auf der Altschneedecke hat sich eine recht mächtige Neuschneeschicht abgelagert. Dieses Schneepaket bildete zumindest mancher- bis vielerorts das für Schneebrettlawinen notwendige Brett.

Während der Nachtstunden vom 01.12. auf den 02.12. bis in die Morgenstunden des 02.12. sind in weiten Teilen Tirols zum Teil recht großflächige Lawinen abgegangen (aufgrund der Gesamtschneehöhe waren die Lawinen aber maximal groß.). Ebenso waren am 02.12. die Sprengerfolge in Skigebieten vielerorts gut bis sehr gut. Auch begann am 02.12. die Gleitschneeaktivität sukzessive zuzunehmen.
In der Nachbetrachtung kann festgehalten werden, dass die beobachtete Lawinenaktivität am 02.12. sich durchaus mit unseren Erwartungen deckte und die Einstufung in Summe die Situation richtig widerzuspiegeln vermochte.
Der unfallträchtige Sonntag, der 03.12.2023
Für Sonntag, den 03.12. gingen wir von einem sehr unfallträchtigen Tag aus. Die „Fallen“ schienen gespannt: ein Neuschneeproblem und ein ausgeprägtes Altschneeproblem ließen darauf schließen, dass Gefahrenstellen nicht auszumachen sind, Lawinen vielerorts leicht ausgelöst und gefährlich groß werden können. Deshalb erwarteten wir uns eine durchwegs kritische Situation für WintersportlerInnen. Sehr defensives Verhalten erschien angebracht.
Am Ende des Tages wurden uns seitens der Leitstelle Tirol „nur“ vier Lawinenabgänge mit Personenbeteiligung gemeldet:
- Variantengelände Steinbergkogel in den Kitzbüheler Alpen, 1 Person an der Hand verletzt
- Variantengelände Hochfügen in den Tuxer Alpen, keine Verletzten
- Fernauslösung am Morgenkogel in den Tuxer Alpen, keine Verletzten
- Auslösung einer Lawine im Wörgestal in der Region Kühtai-Geigenkamm durch eine Gämse
Es steht die Frage im Raum, warum verhältnismäßig wenige Lawinenmeldungen mit Personenbeteiligung bei der Leitstelle Tirol eingegangen sind und ob die ausgegebene Gefahrenstufe die Situation korrekt widergespiegelt hat. Inzwischen haben wir über die Leitstellenmeldungen hinaus zahlreiche Rückmeldungen des gestrigen Sonntags, 03.12. erhalten und wir haben in weiterer Folge versucht, die Situation mit unserer Prognose abzugleichen. Einige Punkte, welche in unsere Überlegungen mit eingeflossen sind:
- Seitens des Lawinenwarndienstes haben wir mit Unterstützung der Medien alle Anstrengungen unternommen, auf die unfallträchtige Situation hinzuweisen.
- Die Warnungen wurden von WintersporterInnen vielerorts sehr ernst genommen. Dies bestätigen zahlreiche Rückmeldungen über sehr defensives Verhalten.
- Viele WintersportlerInnen waren oft in den weniger gefährdeten Bereichen unterhalb etwa 2000m unterwegs.
- Es wurde aber z.T. auch sehr steiles Variantengelände in größeren Höhen stark verspurt.
- Zusätzlich gingen bei uns aber auch einige Meldungen ein, dass das „Brett“, also das meist 50cm dicke Neuschneepaket zu wenig ausgeprägt gewesen sei. Nicht selten war der Neuschnee so locker, dass deshalb keine Bruchfortpflanzungen möglich waren.
In Summe denken wir, dass am Sonntag, 03.12. die Gefahrenstufe 4 (WintersportlerInnen-Groß) in weiten Bereichen zutreffend war. Gleichzeitig sind wir aber auch davon überzeugt, dass mancherorts die Bedingungen durchaus günstiger waren und die Störanfälligkeit nicht so stark ausgeprägt war, wie von uns erwartet wurde.
Dankeschön
Wir sind sehr dankbar, dass an diesem Wochenende keine Todesopfer durch Lawinenabgänge zu beklagen waren. Deshalb möchten wir uns bei allen WintersportlerInnen, die ihr Verhalten an die Verhältnisse bzw. an unsere Warnungen angepasst haben, herzlich danken.
Wie geht’s weiter
Wir haben es mit einer heimtückischen und für die Jahreszeit bereits recht komplexen Lawinensituation zu tun. Defensives Verhalten ist weiterhin angebracht.



Eindrücke der vergangenen Tage








